juris PraxisReporte

Anmerkung zu:LArbG Rostock 3. Kammer, Urteil vom 26.10.2022 - 3 Sa 79/22
Autor:Dr. Andreas Michael Spilger, Vizepräsident LArbG a.D.
Erscheinungsdatum:22.03.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1 KSchG, § 174 BGB, § 180 BGB, § 623 BGB, § 126 BGB, § 4 KSchG
Fundstelle:jurisPR-ArbR 12/2023 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
Zitiervorschlag:Spilger, jurisPR-ArbR 12/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Umfang der Unterrichtung eines Personalrats vor Erklärung einer Wartezeitkündigung



Leitsätze

1. Der Arbeitgeber ist bei einer Wartezeitkündigung nicht verpflichtet, dem Personalrat Sozialdaten, die bei vernünftiger Betrachtung weder aus seiner Sicht noch aus Sicht der Arbeitnehmervertretung für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung eine Rolle spielen können, mitzuteilen.
2. Das Schriftformerfordernis nach §§ 623, 126 BGB setzt keine Leserlichkeit der Unterschrift voraus. Maßgeblich ist die Identifizierbarkeit der Unterschrift.
3. Im Falle der Übertragung der Kündigungsbefugnis auf eine stellvertretende Personalleiterin setzt der Ausschluss der Zurückweisung nach § 174 Satz 2 BGB voraus, dass dem Erklärungsempfänger vor Ausspruch der Kündigung durch den Arbeitgeber die konkrete Person in der Funktion der Stellvertretung bekannt gegeben worden ist.



A.
Problemstellung
Die Entscheidung betrifft den notwendigen Umfang der Unterrichtung eines Personalrats vor Erklärung einer Kündigung während der sog. Wartezeit von sechs Monaten des § 1 Abs. 1 KSchG (hier: nach § 68 Abs. 7 LPersVG M-V). Zudem geht es darum, ob die Kündigung der Schriftform (§§ 623, 126 Abs. 1 Alt. 1 BGB) genügte und ob sie mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde der kündigenden Bevollmächtigten zurückgewiesen werden konnte (§ 174 BGB) bzw. wegen fehlender Vertretungsmacht unwirksam war (§ 180 Satz 1 BGB).


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien stritten darum, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis durch Arbeitgeberkündigung während der Wartezeit von sechs Monaten (§ 1 Abs. 1 KSchG) aufgelöst worden ist (§ 4 Satz 1 KSchG). Erklärt worden war die Kündigung seitens einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Geltungsbereich des LPersVG M-V. Dieses sieht – wie andere Personalvertretungsgesetze auch – eine Mitbestimmung des Personalrats bei Kündigungen vor (§ 68 Abs. 1 Nr. 2 LPersVG M-V); eine Kündigung ohne Personalratsbeteiligung ist nach § 68 Abs. 7 LPersVG M-V unwirksam. Das Kündigungsschreiben hatte eine Frau B. „i.V.“ unleserlich unterzeichnet. Frau B. war stellvertretende Leiterin des Geschäftsbereichs Personal und zur Vornahme und Unterzeichnung von Kündigungen aufgrund Vorstandsbeschlusses befugt. Den Personalrat hatte sie beteiligt, dabei aber nicht die Sozialdaten der Gekündigten mitgeteilt. Diese hatte die Kündigung mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde gemäß § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen. Die Beweisaufnahme bereits im ersten Rechtszug hat nach Überzeugung auch des Berufungsgerichts, des LArbG Rostock, aber ergeben, dass die Beklagte der Klägerin anlässlich einer Onlineveranstaltung die Frau B. als „stellvertretende Leiterin Personal inklusive Unterschriftsbefugnis“ vorgestellt hatte.
Die Kündigungsschutzklage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht handelt sämtliche aufgetretenen Rechtsfragen unter Berücksichtigung einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des BAG sowie des BGH ab.
Nicht nur eine unterbliebene, sondern auch eine fehlerhafte Personalratsbeteiligung führe zur Unwirksamkeit einer Kündigung. Einer Angabe der Sozialdaten im Rahmen der Personalratsbeteiligung habe es vorliegend allerdings nicht bedurft. Denn diese seien in der Wartezeit für den Kündigungsentschluss nicht mitbestimmend gewesen (sog. subjektive Determination).
Auf die Leserlichkeit der Unterschrift komme es nicht an, solange eine Namensunterschrift (§ 126 Abs. 1 Alt. 1 BGB) und nicht lediglich ein Handzeichen (eine Paraphe) in Rede stehe (für das es gemäß § 126 Abs. 1 Alt. 2 BGB der notariellen Beglaubigung bedurft hätte)
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei eine Zurückweisung der Kündigung ausgeschlossen, weil die Beklagte die Klägerin von der Bevollmächtigung der Frau B. (Kündigungsbefugnis qua Position sowie Unterschriftsbefugnis) in Kenntnis gesetzt habe (§ 174 Satz 2 BGB).
Auch habe Frau B. – da ja kündigungsbefugt – nicht ohne Vertretungsmacht gehandelt (§ 180 Satz 1 BGB).


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung setzt sich mit den häufiger gegen eine Wartezeitkündigung erhobenen Einwänden betreffend die Beteiligung einer Betriebs- oder Personalvertretung, die Wahrung der Schriftform oder/und die Bevollmächtigung bei Vertretung auseinander und handelt diese in sowohl lesenswerter wie lehrreicher Weise unter Angabe der einschlägigen Rechtsprechung ausführlich ab.
Aufgrund des Ausschlusses der elektronischen Form der Kündigung gemäß § 623 Halbsatz 2 BGB stellt sich wegen des allein verbleibenden Schriftformerfordernisses nach Halbsatz 1 der Regelung nicht selten die Frage, ob eine dafür erforderliche „Namensunterschrift“ i.S.d. § 126 Abs. 1 Alt. 1 BGB vorliegt. Auf die Lesbarkeit kommt es dafür in der Tat nicht an. Jedoch muss der Schriftzug Andeutungen von Buchstaben erkennen lassen. Es genügt ein die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug, der einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt sowie die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung (nicht lediglich eines Handzeichens bzw. einer Paraphe also) erkennen lässt (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/4987, S. 16, die hier besprochene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts samt Nachweisen sowie Spilger in: KR, § 623 BGB Rn. 105 m.w.N.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Während der Wartezeit besteht kein allgemeiner Kündigungsschutz nach den Vorschriften des Ersten Teils des KSchG. Gerügt werden können im Rahmen einer gleichwohl erhobenen (und gemäß § 4 Satz 1 KSchG dafür auch zu erhebenden) Kündigungsschutzklage allerdings betriebsverfassungs- oder personalvertretungsrechtliche oder rechtsgeschäftliche Mängel oder Formverstöße, was auch geschieht.
Die Entscheidung kann als „Leitfaden“ für die Lösung der dabei auftretenden Probleme dienen und erspart die Recherche von Rechtsprechung bzw. die Verwendung ergänzender Literatur.



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