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Anmerkung zu:BGH 9. Zivilsenat, Urteil vom 12.09.2024 - IX ZR 65/23
Autor:Hans Christian Schwenker, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Erscheinungsdatum:18.10.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 310 BGB, § 305 BGB, § 307 BGB, § 675 BGB, § 1 RVG, § 306 BGB, § 10 RVG, § 14 UStG 1980, EWGRL 13/93, EURL 55/2014
Fundstelle:jurisPR-BGHZivilR 21/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Markus Würdinger, Universität Passau
Zitiervorschlag:Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 21/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Wirksamkeit einer formularmäßig getroffenen anwaltlichen Zeithonorarabrede im Rechtsverkehr mit Verbrauchern



Leitsätze

1. Eine formularmäßig getroffene anwaltliche Zeithonorarabrede ist auch im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nicht allein deshalb unwirksam, weil der Rechtsanwalt weder dem Mandanten vor Vertragsschluss zur Abschätzung der Größenordnung der Gesamtvergütung geeignete Informationen erteilt noch sich dazu verpflichtet hat, ihm während des laufenden Mandats in angemessenen Zeitabständen Zwischenrechnungen zu erteilen oder Aufstellungen zu übermitteln, welche die bis dahin aufgewandte Bearbeitungszeit ausweisen.
2. Ist eine formularmäßig getroffene anwaltliche Vergütungsvereinbarung aus AGB-rechtlichen Gründen insgesamt unwirksam, richten sich die Honoraransprüche des Rechtsanwalts nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.



A.
Problemstellung
Der IX. Zivilsenat hatte sich mit den Anforderungen an eine formularmäßig getroffene anwaltliche Zeithonorarabrede mit Verbrauchern zu befassen. Dabei hatte der Senat erstmalig Gelegenheit, die Auswirkungen des Urteils des EuGH vom 12.01.2023 (C-395/21; dazu Thode, jurisPR-PrivBauR 5/2024 Anm. 6) zu bestimmen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Anwaltshonorar für verschiedene Mandate in Anspruch, bei denen eine erb- und familienrechtliche Auseinandersetzung im Vordergrund stand. Die Parteien schlossen für jedes Mandat eine vom Kläger vorformulierte Vergütungsvereinbarung. In den jeweiligen Vergütungsvereinbarungen hieß es u.a.:
„Abweichend von den gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erhält oben genannte Rechtsanwaltskanzlei für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts eine Grundgebühr von 150 Euro und eine Vergütung von 190 Euro/h, für die Tätigkeit von Rechtsanwalt N. von 245 Euro/h zzgl. Auslagenpauschale und gesetzlicher MwSt. Für Streitwerte über 250.000 Euro erhöht sich der Stundensatz um 10 Euro je angefangene weitere 50.000 Euro. […] Die Auslagenpauschale beträgt 5% der Nettogebühren, mindestens 20 Euro. Die Notwendigkeit der Fertigung von Kopien steht im pflichtgemäßen Ermessen des Anwalts. Je kopierter Seite oder Scan fallen 0,50 Euro an. […] Endet eine Angelegenheit durch eine Einigung, steht dem Rechtsanwalt die Einigungsgebühr (VV 1000 RVG) neben der Stunden- und Grundgebühr zu. […] Entsteht Streit über die angefallene Arbeitszeit, kann der Rechtsanwalt anstelle des Zeithonorars oder hilfsweise nach seiner Wahl das Doppelte der gesetzlichen Vergütung mindestens jedoch eine 2,5 Geschäftsgebühr zuzüglich Umsatzsteuer verlangen. […] Die vom Rechtsanwalt abgerechneten Zeiten gelten als anerkannt, wenn der Auftraggeber nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Wochen nach Zugang des Abrechnungsschreibens substantiiert widerspricht. […]“
Die Grundgebühr des Klägers wurde handschriftlich eingetragen. Bei einem Auftrag betrug der vorformulierte Stundensatz des Klägers 255 Euro/h. Die Beklagte beglich die Honorarforderungen des Klägers zum Teil. Mit seiner Klage verlangt der Kläger auf der Grundlage seiner Abrechnungen die Zahlung restlicher Vergütung in Höhe von insgesamt 132.072,11 Euro. Die Beklagte macht Ansprüche auf Rückerstattung überzahlten Honorars geltend.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklagen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage i.H.v. 92.575,71 Euro nebst Zinsen abgewiesen und im Übrigen das Urteil des Landgerichts aufrechterhalten.
II. Urteil des BGH
1. Zeithonorarvereinbarung auch in AGB zulässig
Die Revision der Beklagten ist begründet. Allerdings ist die vom Kläger vorformulierte Vereinbarung über ein Zeithonorar mit einem ihm geschuldeten Stundensatz von 245 Euro/h oder 255 Euro/h für sich genommen nicht schon deshalb unwirksam, weil sie durch Allgemeine Geschäftsbedingungen erfolgt ist. Die vom Kläger vorformulierten Entgeltabreden unterliegen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, die über eine Prüfung am Maßstab des Transparenzgebots hinausgeht. Dem steht die Regelung des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, nach der (auch) solche Bestimmungen kontrollfrei sind, die – wie hier – den Preis der vereinbarten Hauptleistung unmittelbar bestimmen (sog. Preishauptabreden), nicht entgegen. Denn die Entgelte für anwaltliche Leistungen werden durch die Gebührenvorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vorgegeben. Der Inhalt der in Rede stehenden Honorarvereinbarungen weicht von der gesetzlich vorgesehenen Vergütung ab. In Fällen gesetzlicher Entgeltvorgaben sind jedoch auch Preishauptabreden in AGB darauf zu überprüfen, ob sie mit den Grundgedanken des Preisrechts übereinstimmen. Das gilt auch dann, wenn das Gesetz den Vertragsparteien – wie im Fall des RVG – Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Denn andernfalls bestünde die Gefahr, dass der mit Erlass der Preisvorschriften verfolgte gesetzgeberische Zweck verfehlt würde.
Die formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars begegnet für sich genommen keinen Bedenken. Der BGH hat eine in AGB getroffene Zeithonorarabrede, nach der die Tätigkeit eines Rechtsanwalts mit einem Stundensatz von 290 Euro pro Stunde zuzüglich Umsatzsteuer zu vergüten war, als wirksam erachtet. Zur Begründung hat der BGH auf seine Rechtsprechung zur individualvertraglichen Vereinbarung einer Stundenvergütung Bezug genommen und ausgeführt, dass für die Vereinbarung eines Zeithonorars in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Grundsatz nichts anderes gelte (BGH, Urt. v. 13.02.2020 - IX ZR 140/19 Rn. 33). Danach benachteiligt allein der Umstand, dass ein Rechtsanwalt als Unternehmer im Rahmen einer formularmäßigen Vergütungsabrede eine Zeithonorarklausel mit angemessenem Stundensatz stellt, den Mandanten auch dann nicht unangemessen, wenn dieser ein Verbraucher ist.
2. Missbrauchsmöglichkeit AGB-rechtlich unbeachtlich
Daran hält der Senat fest. Der Mandant ist beim Abschluss einer Zeithonorarvereinbarung aufgrund der ungleichen Informationsverteilung zwischen ihm und dem Rechtsanwalt typischerweise schutzbedürftig. Im Verbraucherverkehr gilt dies in gesteigertem Maße. Denn der typischerweise rechtsunkundige Mandant kann weder den zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache notwendigen Zeitaufwand abschätzen noch ersehen, wie viel Zeit der Rechtsanwalt tatsächlich für das Mandat aufwendet. Dies eröffnet dem unredlichen Rechtsanwalt umfangreiche Missbrauchsmöglichkeiten. Allerdings benachteiligt allein die Möglichkeit des Missbrauchs einer für sich genommen leicht nachvollziehbaren Abrechnung anhand von Zeitaufwand und Vergütung pro Zeiteinheit den Mandanten nicht unangemessen. Denn diese Gefahr ist nicht Ergebnis einer treuwidrigen Vertragsgestaltung durch den Rechtsanwalt. Sie folgt vielmehr aus dem schwer überprüfbaren Zeitaufwand. Die Vereinbarung einer am Zeitaufwand bemessenen Vergütung verschafft dem Rechtsanwalt auch keinen einseitigen Vorteil auf Kosten des Mandanten. Denn hierbei trifft den Rechtsanwalt stets die – bei einer Abrechnung des Mandats nach den gesetzlichen Gebühren nicht bestehende – Rechtspflicht, die während des abgerechneten Zeitintervalls erbrachten Leistungen konkret und in nachprüfbarer Weise darzulegen und bei Streit über den abgerechneten Zeitaufwand nachzuweisen. Dies gleicht den strukturellen Nachteil des Mandanten bei der Nachprüfbarkeit der tatsächlich aufgewendeten Bearbeitungszeit angemessen aus.
3. Keine Einschränkung durch Urteil des EuGH vom 12.01.2023
Das Urteil des EuGH vom 12.01.2023 (C-395/21) gibt dem Senat keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzurücken. Der EuGH hat entschieden, dass eine Klausel eines zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags über die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, nach der sich die Vergütung Letzterer nach dem Zeitaufwand richtet, dann nicht den Transparenzvorgaben des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen vom 05.04.1993 (Klausel-Richtlinie) genügt, wenn dem Verbraucher vor Vertragsschluss nicht die Informationen erteilt worden sind, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsschlusses zu treffen (EuGH, Urt. v. 12.01.2023 - C-395/21 Rn. 45). Dabei hat der Gerichtshof eingeräumt, dass es einem Rechtsanwalt aufgrund der Eigenart der von ihm zu erbringenden Rechtsdienstleistungen bei Vertragsschluss oftmals schwer oder sogar unmöglich ist, den genauen Zeitaufwand und die vom Mandanten als Verbraucher exakt zu zahlende Vergütung vorherzusehen. Aber auch unter dieser Voraussetzung hat der Gerichtshof es mit Blick auf die Maßgaben des Art. 4 Abs. 2 der Klausel-Richtlinie für unabdingbar gehalten, dass der Rechtsdienstleister dem Verbraucher vor Vertragsschluss entweder Informationen gibt, anhand derer er die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einschätzen kann oder sich verpflichtet, dem Verbraucher in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Zeitaufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewendeten Arbeitsstunden ausgewiesen sind (EuGH, Urt. v. 12.01.2023 - C-395/21 Rn. 44). Das führt nach den Vorgaben des nationalen Rechts (§ 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 BGB) jedoch nicht zur Unwirksamkeit formularmäßig getroffener Zeithonorarvereinbarungen von Rechtsanwälten. Das gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt Stundenhonorarklauseln im Rechtsverkehr mit Verbrauchern (§ 310 Abs. 3 BGB) verwendet.
4. Anforderungen an Transparenz einer Zeithonorarvereinbarung
Allerdings ist eine zwischen einem Rechtsanwalt als Unternehmer und dem Mandanten als Verbraucher in AGB getroffene Zeithonorarvereinbarung dann i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent, wenn nicht der Rechtsanwalt dem Mandanten vor Vertragsschluss Informationen an die Hand gibt, die es dem Mandanten ermöglichen, die Gesamtkosten der Rechtsdienstleistungen der Größenordnung nach einzuschätzen, oder sich verpflichtet, den Mandanten in angemessenen Zeitabständen Rechnungen oder regelmäßige Aufstellungen zu übermitteln, in denen die aufgewandten Arbeitsstunden ausgewiesen sind. Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH muss eine Formularklausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dies gilt in gleicher Weise für die vom EuGH aufgestellten Anforderungen. Jedoch führt die richtlinienkonforme Auslegung des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für Zeithonorarvereinbarungen von Rechtsanwälten nicht dazu, dass die deshalb bestehende Intransparenz von Zeithonorarklauseln für Rechtsdienstleistungen stets und ohne Weiteres deren Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bedingt. Dies ergibt sich weder aus dem europäischen noch aus dem nationalen Recht. Die Klausel-Richtlinie gibt dies nicht vor. Vielmehr stellt die Intransparenz einer Bestimmung (Art. 5 Satz 1 und, soweit sie den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, Art. 4 Abs. 2 der Klausel-Richtlinie) nach dem Unionsrecht nur einen der Gesichtspunkte dar, die bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel (Art. 3 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie) im Wege der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sind. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dabei kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Daraus folgt jedoch nicht, dass ausnahmslos jede Unklarheit bei einer Zeithonorarklausel eines Rechtsanwalts als solche schon eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten bedingt. Belange des Verbraucherschutzes gebieten dies nicht. Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Systematik und Sinn und Zweck sprechen dagegen, dass jeder Fall einer gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparenten Zeithonorarklausel eines Rechtsanwalts eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten bedeutet. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sieht bereits im Wortlaut vor, dass sich aus einer nicht klaren und verständlichen Bestimmung eine unangemessene Benachteiligung (nur) ergeben kann, nicht aber immer ergibt oder ergeben muss. Auch nach Systematik und Sinn und Zweck des AGB-Rechts ist es nicht erforderlich, eine formularmäßige Vereinbarung eines Zeithonorars durch einen Rechtsanwalt allein deshalb als unangemessene Benachteiligung anzusehen, weil die Vereinbarung nicht den in richtlinienkonformer Auslegung des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu stellenden Transparenzanforderungen genügt. Die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB bezwecken, rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klauselverwenders zum Nachteil seiner Kunden zu verhindern. Der Verwender von AGB soll davon abgehalten werden, seine Interessen durch einseitige Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit treuwidrig auf Kosten seiner Vertragspartner zu verfolgen. Das Gesetz gewährleistet den Kundenschutz vor allem durch die inhaltliche Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. In gleicher Weise dient die in die Regelungen der AGB-Kontrolle eingebettete Transparenzkontrolle dazu, Rechtsmissbrauch und unangemessene Benachteiligungen durch den Klauselverwender zu verhindern.
5. Intransparenz führt nicht ohne Weiteres zur unangemessenen Benachteiligung
Der BGH hat bislang nicht abschließend entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine Zeithonorarklausel eines Rechtsanwalts nach Maßgabe des § 307 Abs. 1 BGB wegen ihrer Intransparenz eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Denjenigen Fällen, in denen der BGH eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auf die Intransparenz einer Formularbestimmung zurückgeführt hat, lag jeweils eine missbräuchliche Vertragsgestaltung durch den Verwender zugrunde. Dabei ließ der Verwender seinen Vertragspartnern das Bestehen oder den Umfang bestimmter Rechte oder Pflichten durch die Gestaltung einzelner Bestimmungen oder der Anlage des Klauselwerks als unklar erscheinen. Auf die rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung hat der BGH eine unangemessene Benachteiligung der Kunden jeweils gestützt.
Eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten und damit eine Unwirksamkeit der Zeithonorarklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt nicht allein deshalb vor, weil der Rechtsanwalt seinen Vertragspartner nicht durch entsprechende Informationen in die Lage versetzt, die Größenordnung der Gesamtkosten abzuschätzen, und sich nicht dazu verpflichtet, während des laufenden Mandats in angemessenen Abständen über den Kosten- und Zeitaufwand zu informieren. Dass eine solche Zeithonorarklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent ist, genügt hierzu nicht. Eine Formularbestimmung benachteiligt den Kunden dann unangemessen, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Der Rechtsanwalt strebt mit einer vorformulierten Stundenhonorarvereinbarung nicht an, seine Interessen einseitig zum Nachteil des Mandanten durchzusetzen. Die vorformulierte Vereinbarung eines Zeithonorars dient nicht dazu, wirtschaftliche Vertragsrisiken zu verschleiern und so den Mandanten treuwidrig zum Abschluss einer ihm nachteiligen Vergütungsabrede zu veranlassen. Die Wahl einer Stundenvergütung trägt dem Interesse des Mandanten nach einer für ihn nachvollziehbaren Preisermittlung Rechnung. Denn anders als im Fall der Abrechnung nach dem für rechtliche Laien regelmäßig nur unter Zuhilfenahme fachkundiger Hilfe zu überblickenden gesetzlichen Gebührenrecht bemisst sich das Anwaltshonorar lediglich anhand zweier Größen (Stundensatz und aufgewandte Zeit).
Die formularmäßige Stundenhonorarvereinbarung stellt auch unter dem Gesichtspunkt der Vorenthaltung von Informationen keine missbilligenswerte Vertragsgestaltung dar. Der Rechtsanwalt darf davon ausgehen, dass jedenfalls der durchschnittliche Mandant ohne Weiteres erkennen wird, dass die Vergütungshöhe nicht allein vom Stundensatz, sondern gleichermaßen vom Gesamtbearbeitungsaufwand abhängt.
Eine formularmäßige Zeithonorarvereinbarung verschafft dem Rechtsanwalt keinen rechtlichen Gestaltungsspielraum, die dieser Abrechnungsart innewohnende Missbrauchsmöglichkeit zu ergreifen. Zum einen treffen den Rechtsanwalt strenge Darlegungsanforderungen hinsichtlich des Bearbeitungsaufwands. Er hat die während des abgerechneten Zeitintervalls erbrachten Leistungen konkret und in nachprüfbarer Weise darzutun. Insoweit hat der Rechtsanwalt etwa anzugeben, welche Akten und Schriftstücke einer Durchsicht unterzogen wurden, welcher Schriftsatz vorbereitet oder verfasst wurde, zu welcher Rechts- oder Tatfrage welche Literaturrecherchen angestellt und zu welchem Thema mit welchem Gesprächspartner wann eine fernmündliche Unterredung geführt wurde. Er hat diesen Zeitaufwand zudem im Streitfall zu beweisen. Dies erfordert eine zeitnahe und sorgfältige Dokumentation der Arbeitsschritte und lässt die Erteilung regelmäßiger Zwischenrechnungen tunlich erscheinen. Zum anderen ist selbst der vom Rechtsanwalt nachgewiesene Zeitaufwand nur dann in vollem Umfang berücksichtigungsfähig, wenn er in einem angemessenen Verhältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden Angelegenheit steht. Dies unterliegt uneingeschränkter tatgerichtlicher Überprüfung und nimmt dem Rechtsanwalt den rechtlichen Spielraum, das Zeithonorar durch eine nicht zeitschonende Mandatsbearbeitung treuwidrig in die Höhe zu treiben.
6. Unangemessene Benachteiligung durch Gesamtzusammenhang einzelner Klauseln
Jedoch ergibt sich im Streitfall eine unangemessene Benachteiligung aus dem Gesamtzusammenhang der einzelnen Klauseln. Die vom Kläger vorformulierten Vereinbarungen über ein Zeithonorar sind deshalb unwirksam. Die mit der Stundenhonorarklausel verknüpften Zusatzklauseln der Vergütungsvereinbarung eröffnen dem Kläger zusammen mit der Intransparenz der Stundenhonorarklausel einen missbräuchlichen Gestaltungsspielraum und führen dazu, dass die Vergütungsabrede im Ganzen nicht wirksam ist. Dies ergibt sich aus dem Summierungseffekt der einzelnen Klauseln der Vergütungsvereinbarung. Eine teilweise Aufrechterhaltung kommt nicht in Betracht. Denn wesentliche Bestandteile der Preisabreden halten AGB-rechtlicher Kontrolle nicht stand. Die Bestimmungen zur Erhöhung des Stundensatzes, zur Auslagenpauschale, zur Einigungs- und zur Befriedungsgebühr sowie die Streit- und Anerkenntnisklausel sind jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern unwirksam. Diese Bestimmungen benachteiligen die Mandanten des Rechtsanwalts unangemessen. Die vorgesehene Erhöhungsklausel unterwirft den vereinbarten Stundensatz (245 Euro und 255 Euro) einer wertabhängigen Erhöhung im Einzelfall (10 Euro je angefangener 50.000 Euro ab 250.000 Euro). Diese Gestaltung des Stundensatzes ist nicht klar und verständlich (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und benachteiligt die Vertragspartner des Klägers unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), insbesondere weil sie zu Stundensätzen führen kann, die mit dem vertragsrechtlichen Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht vereinbar sind (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Klausel verschleiert die Höhe des Stundensatzes und benachteiligt den Vertragspartner sachlich unangemessen, weil die durch die intransparente Vertragsgestaltung bewirkte Unklarheit dem Mandanten den Blick auf die preistreibende Wirkung der Erhöhungsklausel verstellt. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist die Erhöhung des Stundensatzes weder bestimmt noch abschätzbar, sofern nicht der Gegenstandswert bereits bei Mandatierung endgültig feststeht. Darüber hinaus verbindet die Erhöhungsklausel die Variablen beider Vergütungsarten (Zeit und Gegenstandswert) in preistreibender Weise missbräuchlich zum Nachteil des Vertragspartners. Der durchschnittliche Mandant kann dies bei Vertragsschluss nicht klar erkennen. Denn während die Zeithonorarklausel dem Mandanten zu erkennen gibt, dass es für die Berechnung nur auf den Zeitaufwand ankommt, verknüpft die Erhöhungsklausel den Stundensatz mit dem Gegenstandswert und schafft so dem Rechtsanwalt zusätzliche Vorteile und Gestaltungsmöglichkeiten. Deren rechtliche Voraussetzungen und Folgen kann der Verbraucher nicht übersehen. Er ist deshalb außerstande, die finanziellen Folgen abzuschätzen. Zudem verschleiert die maßvoll erscheinende Satzerhöhung das Kostenrisiko, welches die Verbindung von zwei veränderlichen Preisfaktoren für den Mandanten birgt.
7. Verstoß gegen Äquivalenzprinzip
Die Erhöhungsklausel benachteiligt die Vertragspartner des Klägers auch deswegen unangemessen, weil sie zu Stundensätzen führen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht in Einklang zu bringen sind. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung in AGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zu den wesentlichen Grundgedanken der für gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehört der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung. Zwar gilt das Äquivalenzprinzip im Fall der gesetzlichen Vergütung anwaltlicher Leistungen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht ohne Beschränkungen. Bei der Vereinbarung eines Zeithonorars für anwaltliche Leistungen kommt der Grundsatz jedoch uneingeschränkt zum Tragen. Denn anders als das gesetzliche Wertgebührensystem folgt die Vereinbarung eines Zeithonorars nicht dem Ziel, den Lebensunterhalt des Rechtsanwalts erst durch sein Gesamtgebührenaufkommen abzusichern. Sie bezweckt eine adäquate Vergütung des konkreten Mandats, die am tatsächlichen Arbeitsaufwand zu bemessen ist. Dieser Zielsetzung wird die Erhöhungsklausel nicht gerecht. Ihre Anwendung kann zu Stundensätzen führen, welche die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung einseitig zulasten des Mandanten verfehlen und die Anwaltsvergütung ohne Rücksicht auf seine Interessen erhöhen.
Auch die Bestimmung zur Auslagenpauschale benachteiligt die betroffenen Verbraucher unangemessen. Die Regelung, dass die Auslagenpauschale 5% der Nettogebühren betrage, knüpft die Höhe des Aufwendungsersatzes (§ 675 Abs. 1 BGB i.V.m. § 670 BGB) an diejenige des Zeithonorars. Tatsächlich erhöht sie den vereinbarten Stundensatz pauschal um 5%, ohne dass erkennbar wäre, dass mit jeder Arbeitsstunde durchschnittlich entsprechende Auslagen verbunden wären. Die Pauschalierung verstärkt zudem den – seinerseits durch missbräuchliche Vertragsgestaltung verdeckten – preistreibenden Effekt der Erhöhungsklausel. Da der durchschnittliche Vertragspartner diese Wirkung nicht erkennt, bleibt ihm bei Vertragsschluss auch verborgen, dass der nach der Auslagenklausel zu zahlende Aufwendungsersatz im Laufe der Mandatsbearbeitung ebenfalls schwer abschätzbaren Erhöhungen unterliegen und eine ganz erhebliche Höhe erreichen kann.
Auch die Verbindung eines Stundenhonorars mit den in der Vergütungsvereinbarungen vorgesehenen erfolgsbezogenen Zusatzgebühren benachteiligt die Mandanten im Verbraucherverkehr unangemessen. Durch die Aufnahme der Einigungsgebühr in die Honorarvereinbarungen verbindet der Kläger gebührenerhöhende Vergütungselemente des gesetzlichen Preisrechts mit einem Stundenhonorar. Dadurch blendet er einseitig zum Nachteil der betroffenen Verbraucher aus, dass das Ausgleichsbedürfnis des Rechtsanwalts, dem erfolgsbezogene Preisbestandteile im gesetzlichen Vergütungssystem Rechnung tragen, bei einer Abrechnung nach Zeit nicht besteht. Die Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV RVG) bezweckt im Rahmen des gesetzlichen Gebührensystems die Vergütung mit dem Abschluss einer Einigung einhergehender Mehrbelastungen. Denn der Rechtsanwalt muss genau prüfen, ob den Interessen seines Mandanten besser durch den Abschluss einer Einigung gedient ist als durch eine gerichtliche Entscheidung. Ein vergleichbarer Ausgleichsbedarf besteht im Rahmen der getroffenen Honorarvereinbarungen jedoch nicht. Denn der Rechtsanwalt erhält den für eine Einigung erforderlichen Arbeitsaufwand bereits über das Zeithonorar vergütet. Damit verfolgt der Kläger sein Ziel, die Anwaltsvergütung zu optimieren, treuwidrig auf Kosten der betroffenen Mandanten. Denn ihr berechtigtes Interesse, bei der Vereinbarung eines Zeithonorars nur den tatsächlich für die Mandatsbearbeitung anfallenden Aufwand zu vergüten, nimmt der Kläger von vorneherein nicht in den Blick.
Schließlich benachteiligen die Bestimmungen der Streit- und der Anerkenntnisklausel die betroffenen Verbraucher unangemessen. Beide Bestimmungen zielen schon für sich genommen, erst recht aber in ihrem Zusammenwirken darauf ab, dem Mandanten die Erhebung von Einwänden gegen den abgerechneten Zeitaufwand zu erschweren. Dadurch verlagern die Regelungen die mit der Vereinbarung eines Zeithonorars verbundenen Risiken bei der Darlegung, Nachprüfbarkeit und dem Nachweis des tatsächlichen Bearbeitungsaufwands einseitig zulasten des Mandanten. Denn gerade die Pflicht des Rechtsanwalts, über den Zeitaufwand nachvollziehbar und im Einzelnen abzurechnen, die während des abgerechneten Zeitintervalls getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise darzulegen und diesen Zeitaufwand im Streitfall zu beweisen, kompensiert den unzureichenden Einblick des Mandanten in den tatsächlich erforderlichen Aufwand.
III. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit
Die Unwirksamkeit der vorbezeichneten Klauseln führt zur Unwirksamkeit der Preisabrede im Ganzen. Dies folgt aus der Gesamtwürdigung der Vergütungsvereinbarung, deren einzelne Klauseln in einem untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang stehen. Die einzelnen Regelungen des Klauselwerks zur Vergütung wirken zusammen auf eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers zugunsten des anwaltlichen Vergütungsinteresses hin. Die Bestimmungen des Klauselwerks sind entgegen Treu und Glauben in einer Weise aufeinander abgestimmt, welche einseitig dem Vergütungsinteresse des Klägers Rechnung trägt. Der rechtliche Gehalt der formularmäßigen Preisabrede wird maßgeblich durch das Zusammenspiel der Klauseln geprägt, die in ihrem Gesamtzusammenhang auf die Erhöhung des Anwaltshonorars ausgerichtet sind. Dabei eröffnen die inhaltlich zusammenhängenden Klauseln dem Kläger zusammen mit der Intransparenz der Stundenhonorarklausel einen missbräuchlichen Gestaltungsspielraum. Die Unwirksamkeit der Honorarvereinbarungen im Ganzen führt nicht zur Unwirksamkeit der Anwaltsverträge insgesamt (§ 306 Abs. 1 BGB). Sie hat zur Folge, dass der Kläger für seine anwaltlichen Tätigkeiten jeweils die gesetzliche Vergütung nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes von der Beklagten verlangen kann (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG, § 306 Abs. 2 BGB).


C.
Kontext der Entscheidung
Die Inhaltskontrolle von Formularklauseln dient ausschließlich dem Schutz des Vertragspartners des Verwenders. Der Verwender kann sich nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingung berufen und darf aus einer solchen Unwirksamkeit keine Vorteile ziehen (BGH, Urt. v. 12.05.2016 - VII ZR 171/15 Rn. 58 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht dem Kläger keine höhere als diejenige Vergütung zu, welche sich aus den Honorarvereinbarungen ergäbe. Um dies sicherzustellen, wird das Berufungsgericht auch letztere zu bestimmen und der ermittelten gesetzlichen Vergütung gegenüberzustellen haben. Dabei wird das Berufungsgericht in seine Überlegungen einzubeziehen haben, inwieweit die eine Erhöhung des vereinbarten Stundensatzes bewirkenden Klauseln auch bei isolierter Betrachtung der jeweiligen Klauseln unwirksam sind.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Bislang mussten Rechtsanwälte Vergütungsberechnungen in schriftlicher Form an ihre Mandantschaft mitteilen, was eine Unterschrift erforderte. Durch das Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz (BGBl. 2024 I Nr. 234 v. 16.07.2024) wurde die entsprechende Formvorschrift in § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG geändert; danach genügt für die Berechnung nunmehr die Textform. Zudem ist es ausreichend, dass der Rechtsanwalt die Mitteilung der Vergütungsberechnung an den Mandanten veranlasst. Die Formerleichterung nach dem neu gefassten § 10 RVG steht in Widerspruch zur verpflichtenden elektronischen Rechnungsstellung für B2B-Umsätze in Form eines strukturierten Datensatzes nach § 14 UStG, die durch das Wachstumschancengesetz eingeführt wurde (BGBl. 2024 I Nr. 108 v. 27.03.2024). Diese Verpflichtung gilt auch für Rechtsanwälte und tritt, ab dem 01.01.2025, mit unterschiedlichen Übergangsfristen aber spätestens zum 01.01.2028 ein. Dabei ist eine „elektronische Rechnung“ nach der neuen Definition in § 14 Abs. 1 Satz 3 UStG n.F. eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Das strukturierte elektronische Format muss der europäischen CEN-Norm EN16931 gemäß der Richtlinie 2014/55/EU vom 16.04.2014 über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen entsprechen. Erlaubt sind auch alternative Datenformate, die zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger vereinbart werden können, soweit sie interoperabel mit der EN16931 bezogen auf die Rechnungspflichtbestandteile sind.



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