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Anmerkung zu:BGH 2. Zivilsenat, Beschluss vom 28.07.2025 - II ZR 154/23
Autor:Dr. Martin Flick, RA
Erscheinungsdatum:26.08.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 244 AktG, § 227 ZPO, § 156 ZPO, § 559 ZPO, § 93 AktG
Fundstelle:jurisPR-HaGesR 8/2025 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Jörn-Christian Schulze, RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zitiervorschlag:Flick, jurisPR-HaGesR 8/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Bestätigungsbeschluss bei laufender Revisionsinstanz



Orientierungssatz zur Anmerkung

Ein Bestätigungsbeschluss nach § 244 AktG muss spätestens bis zum Ende der mündlichen Verhandlung in der Revision gefasst werden.



A.
Problemstellung
Bei Erhebung einer Anfechtungsklage hat die beklagte Gesellschaft die Möglichkeit, einen Bestätigungsbeschluss nach § 244 AktG einzuholen. Mit einem Bestätigungsbeschluss erledigt sich oftmals die Anfechtungsklage. Die Anfechtung kann nämlich nicht mehr geltend gemacht werden, wenn die Hauptversammlung den angefochtenen Beschluss durch einen neuen Beschluss bestätigt hat und dieser Beschluss innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten oder die Anfechtung rechtskräftig zurückgewiesen worden ist.
Die beklagte Aktiengesellschaft hatte die Anfechtungsklage sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz gewonnen, Die Sache lag nun zur Entscheidung in der Revision beim BGH. Nunmehr kam die beklagte Aktiengesellschaft auf die Idee, einen Bestätigungsbeschluss einzuholen, nachdem der BGH bereits einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung nach Schluss der mündlichen Verhandlung bestimmte hatte. Die Frage war nun, ob und bis zu welchem Zeitpunkt während einer in der Revision beim BGH befindlichen Anfechtungsklage die beklagte Gesellschaft einen Bestätigungsbeschluss herbeiführen kann, damit sich die streitgegenständliche Anfechtungsklage möglicherweise erledigt.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
In der Sache ging es nur um einen Beschluss über einen Antrag auf Verlegung des vom BGH im Revisionsverfahren bereits bestimmten Termins zur Verkündung einer Entscheidung. Bei der in der Revision befindlichen Klage ging es um eine Anfechtungsklage, und nach mündlicher Verhandlung beim BGH hatte die beklagte Aktiengesellschaft einen Antrag auf Verlegung des Termins zur Verkündung einer Entscheidung gestellt mit der Begründung, einen Bestätigungsbeschluss zu den streitgegenständlichen angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüssen einzuholen.
Diesen Antrag hat der BGH zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorlägen.
Es ging um eine aktienrechtliche Anfechtungsklage, also die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses. In der Erstinstanz und in der Berufung hatte die beklagte Aktiengesellschaft gewonnen, und die Sache lag nun beim BGH. Dort hatte eine mündliche Verhandlung stattgefunden und danach beabsichtigte die beklagte Aktiengesellschaft, einen Bestätigungsbeschluss über den streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschluss einzuholen, § 244 AktG. Der Hauptversammlungstermin kollidiert vermutlich wegen der mehrwöchigen Einladungsfrist mit dem vom BGH bestimmten Termin zur Verkündung einer Entscheidung. Mit anderen Worten: Die Entscheidung über die Anfechtungsklage sollte vor dem Tag der Hauptversammlung verkündet werden, womit der Bestätigungsbeschluss bedeutungslos zu werden drohte. Die beklagte Aktiengesellschaft stellte also einen Antrag auf Verlegung des Verkündigungstermins. Diesem erteilte der BGH eine Absage.
Er führte aus, dass ein Termin aus erheblichen Gründen verlegt werden könne gemäß § 227 Abs. 1 ZPO und dies eine Ermessensentscheidung sei. Erheblich seien Gründe etwa dann, wenn diese zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dienten und demgegenüber das prozessuale Beschleunigungs- und Konzentrationsgebot zurückzutreten habe. Dies sei hier aber nicht der Fall.
Zwar komme auch im Revisionsverfahren die Berücksichtigung neuen Tatsachenvortrags einschließlich eines während des Revisionsverfahrens gefassten Bestätigungsbeschlusses in Betracht, wenn die materiellen Wirkungen des Bestätigungsbeschlusses anderenfalls nicht mehr zur Geltung gebrachten werden könnten und das Unterlassen einer früheren Bestätigung für die Gesellschaft unvermeidbar gewesen sei, etwa weil kein Anlass zu einer vorsorglichen Beschlussbestätigung bestanden habe. Der BGH habe wegen Vorgreiflichkeit eines Bestätigungsbeschlusses jedenfalls im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren früher schon in anderen Verfahren einen Aussetzungsbeschluss gefasst, woran er festhalte.
Nach in der Revision erfolgter mündlicher Verhandlung könne aber ein Bestätigungsbeschluss nicht mehr berücksichtigt werden. Dies würde die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung voraussetzen, wozu hier wegen ihres bereits erfolgten Schlusses aber kein Grund bestehe. Eine in der Berufung siegreiche Partei könne zwar auf die Hinweispflicht der folgenden Instanz vertrauen, wenn diese beabsichtige, anders als die Vorinstanz zu entscheiden. Dies gelte dann nicht, wenn es sich um einen zentralen Streitpunkt zwischen den Parteien handle, weshalb damit zu rechnen sei, dass das Gericht sich der Ansicht der Gegenpartei anschließe. Im vorliegenden Fall läge genau das vor.
Auch die materielle Erheblichkeit eines Bestätigungsbeschlusses rechtfertige keine andere Beurteilung. Die mit der Möglichkeit eines Bestätigungsbeschlusses einhergehende Beseitigung der rechtlichen Ungewissheit und wirtschaftlicher Nachteile stehe der Gesellschaft das gesamte Verfahren über zur Verfügung. Damit könne die Gesellschaft bereits seit langem das Verfahren beeinflussen, und sie müsse eigenverantwortlich prüfen, ob sie den Rechtsstreit durch einen Bestätigungsbeschluss beenden wolle oder nicht. Es rechtfertige aber nicht einen prozessualen Anspruch, die Entscheidung im Rechtsstreit so lange herauszuschieben, bis die Hauptversammlung den angefochtenen Beschluss bestätige.
Schließlich sei auch keine Wiedereröffnung des Verfahrens nach § 156 ZPO im Falle eines Bestätigungsbeschlusses angezeigt. Die mündliche Verhandlung sei ohne Verfahrensfehler geschlossen worden, und die Erheblichkeit des Vorbringens allein rechtfertige die Wiedereröffnung nicht. Dies gelte erst recht, wenn eine Partei so lange zuwarte mit einer Änderung des Streitgegentands zu ihren Gunsten. Hierdurch würde eine nicht vertretbare, mit dem Zweck des Verhandlungsschlusses nicht zu vereinbarende Rechtsunsicherheit über das Weitergehen des Verfahrens eintreten.


C.
Kontext der Entscheidung
Eine beklagte Aktiengesellschaft denkt oftmals über einen vorsorglichen Bestätigungsbeschluss nach, wenn gegen einen ihrer Hauptversammlungsbeschlüsse Anfechtungsklage erhoben worden ist. Dies ermöglicht es ihr, Rechtsrisiken zu beseitigen, vor allem langwierige Rechtsstreitigkeiten und etwaige Ungewissheiten über die Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen zu beseitigen.
Grundsätzlich endet mit Abschluss des Berufungsverfahrens die Möglichkeit, neue Tatsachen vorzutragen. Die Revision ist in erster Linie ein Verfahren zur Überprüfung der rechtlichen Richtigkeit. Der BGH erlaubt aber für Anfechtungsklagen sogar in der Revision noch die Berücksichtigung eines Bestätigungsbeschlusses, der während des Revisionsverfahrens gefasst wird. Das entspricht der überwiegenden Meinung im Schrifttum, ist aber nicht unumstritten. Es wird die Mindermeinung vertreten, dass ein Bestätigungsbeschluss zu fassen sei während der Dauer der Tatsacheinstanzen (so Heidel/Heidel, AktG, 6. Aufl., § 244 Rn. 9; Grigoleit/Ehmann, AktG, 2. Aufl., § 244 Rn. 10). Tatsächlich ist ein Bestätigungsbeschluss eine neue Tatsache und eigentlich nach § 559 ZPO in der Revision unbeachtlich. Die überwiegende Meinung und der BGH machen hier jedoch eine Ausnahme, um der materiellen Wirkung eines Bestätigungsbeschlusses noch Geltung zu verschaffen. Ob es dafür allerdings der Zeit bis in das Revisionsverfahren hinein bedarf, steht zur Diskussion. Das Schrifttum und der BGH zeigen sich hier großzügig. Der BGH hat mit dieser Entscheidung allerdings nun auch eine klare zeitliche Grenze gezogen, nämlich bis zum Schluss der bei ihm abgehaltenen mündlichen Verhandlung.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die praktischen Auswirkungen dieser Entscheidung dürften gering sein. Meistens werden Bestätigungsbeschlüsse zeitlich vor Beginn eines Revisionsverfahrens eingeholt. Es dürfte für die meisten Aktiengesellschaften ungewöhnlich sein, mit einem Bestätigungsbeschluss bis in das Revisionsverfahren hinein zu warten, selbst wenn – wie wohl hier – die beklagte Gesellschaft in beiden Vorinstanzen gewonnen hatte. Allerdings wird man auch berücksichtigen müssen, dass erst nach einem Berufungsurteil, welches möglicherweise erstmal einen Beschluss für nichtig erklärt, ein Bedürfnis für einen Bestätigungsbeschluss besteht. Ist erkennbar, dass der Anfechtungskläger bereit ist, die Frage der Wirksamkeit eines Beschlusses über mehrere Instanzen aufrechtzuerhalten, dürfte sich für die meisten Gesellschaften jedenfalls bei entsprechender Bedeutung des angefochtenen Beschlusses wesentlich früher die Frage stellen, ob nicht einer zwischenzeitlich ohnehin abzuhaltenden Hauptversammlung ein Bestätigungsbeschluss zur Beschlussfassung vorgeschlagen wird. Insofern dürfte ein Zuwarten bis zur Revision eher selten sein.
Die Entscheidung enthält aber interessante Ausführungen zum Zeitpunkt, bis zu dem ein Bestätigungsbeschluss eingeholt werden sollte und kann. Bis zum Ende der mündlichen Verhandlung in einem etwaigen Revisionsverfahren muss der Bestätigungsbeschluss gefasst sein, danach erlangt er für das anhängige Verfahren in Bezug auf die Wirksamkeit des Ausgangsverfahren keine rechtliche Bedeutung mehr. Wegen der Vorlaufzeiten für Hauptversammlungen und der nicht kalkulierbaren Terminierung im Revisionsverfahren sollte also spätestens mit Beginn des Revisionsverfahrens über die Einholung eines Bestätigungsbeschlusses entschieden und ggf. mit seiner Vorbereitung sowie einer Hauptversammlung begonnen werden.
Aus den Ausführungen ist ferner zu folgern, dass die beklagte Aktiengesellschaft trotz Obsiegens in der ersten und zweiten Instanz nicht sicher im anhängigen Rechtsstreit mit einem abschließenden Obsiegen rechnen durfte. Man muss daraus den Schluss ziehen, auch vorsorglich einen Bestätigungsbeschluss einzuholen, selbst wenn die beklagte Gesellschaft in den Tatsacheninstanzen gewinnt. Denn solange die Streitpunkte ausgetauscht werden und die nächste Instanz diese anders als die Vorinstanz bewertet und seine Entscheidung nicht auf bisherige Randaspekte stützt, muss es nicht zwingend einen Hinweis zu seiner Rechtsauffassung erteilen. Insofern dürfte das Unterlassen der Einholung eines Bestätigungsbeschlusses trotz bisherigen Obsiegens dennoch für die beklagte Gesellschaft nicht unvermeidbar sein.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Materiell betrifft die Anfechtungsklage Hauptversammlungsbeschlüsse der Volkswagen Aktiengesellschaft vom 22.07.2021 über die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung zu Vergleichen mit zwei ehemaligen Vorstandsmitgliedern sowie D&O-Versicherern nach § 93 Abs. 4 AktG. Da die beklagte Volkswagen AG sowohl beim LG Hannover (Urt. v. 12.10.2022 - 23 O 63/21) als auch beim OLG Celle (Urt. v. 29.11.2023 - 9 U 93/22) die Anfechtungsklage gewonnen hatte, bleibt nun abzuwarten, wie die Entscheidung des BGH zur Wirksamkeit dieser Beschlüsse ausfällt.



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