Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin ist als GmbH im Bereich der Marktforschung und Unternehmensberatung tätig und setzte die Beigeladene für Testkäufer und Testkäuferbeobachtungen (sog. Mystery Shopping) in Bistros und Restaurants der Deutschen Bahn AG (DB) ein. In einem mit der DB geschlossenen Rahmen-Dienstleistungsvertrag verpflichtete die Klägerin sich dazu, in den Zügen durch Testkäufer monatlich mindestens 400 Tests auf vorgegebenen Routen nach dem Zufallsprinzip durchzuführen.
Im Februar 2016 schloss die Klägerin mit der Beigeladenen einen „Testertourenvertrag“. Die Beigeladene übernahm vertraglich die Aufgabe, Verkaufsvorgänge (Bordbistro, Bordrestaurant und Am-Platz-Service) zu protokollieren, in einer Auswertungsdatei zu erfassen und nach Tourbeendigung spätestens am nächsten Vormittag bis 12.00 Uhr der Klägerin zur Verfügung zu stellen. Die gastronomischen Auslagen (Essen und/oder Getränke) der Beigeladenen während der Testtouren erstattete die Klägerin, wobei der Erwerb und Konsum von Alkohol untersagt war. Die Beigeladene erhielt ein Honorar i.H.v. 11 Euro pro Stunde zzgl. Mehrwertsteuer (d.h. eine Vergütung oberhalb des im Jahr 2016 geltenden gesetzlichen Mindestlohns von brutto 8,50 Euro je Zeitstunde) und für Teilnahme an den von der DB durchgeführten Schulungen pro Tag eine Pauschale i.H.v. ca. 100 Euro. Die Vergütung von Nacharbeiten (z.B. Protokollierung von Testkäufen) außerhalb von Zugfahrten war vertraglich nicht vereinbart und ist nicht erfolgt. Die DB stellte der Beigeladenen eine Bahncard ausschließlich für die Durchführung von Testtouren zur Verfügung. Der Testtourenvertrag enthielt die Regelung, dass kein Arbeitsverhältnis begründet und bestätigt werde, dass die Tätigkeit selbstständig – auch für andere Auftraggeber – ausgeübt wird. Im Zeitraum von Februar 2016 bis Januar 2017 führte die Beigeladene jeweils persönlich insgesamt 35 Testtouren an einzelnen Tagen in den Zügen der DB durch.
Die Klägerin erfasste in einer monatlichen Aufstellung die von der Beigeladenen getätigten Fahrten, die Auslagen und das sich daraus ergebende Honorar der Beigeladenen, welches die Beigeladene der Klägerin anschließend in Rechnung stellte. Nachdem die Klägerin ankündigte, den Abrechnungsmodus dahin gehend zu ändern, dass künftig keine monatlichen Aufstellungen mehr übersandt und die Abrechnung eigenständig von der Beigeladenen durchzuführen sei, kündigte die Beigeladene im Januar 2017 das Vertragsverhältnis mit der Klägerin. Im Februar 2017 stellte die Beigeladene bei der Beklagten einen Statusfeststellungsantrag (§ 7a Abs. 1 SGB IV) und beantragte die Feststellung, als Testkäuferin bei der Klägerin von Februar 2016 bis Januar 2017 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses versicherungspflichtig tätig gewesen zu sein. Die Beklagte erließ daraufhin antragsgemäß einen Bescheid, wonach im vorbezeichneten Zeitraum die Beigeladene als abhängig Beschäftigte der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom Oktober 2017 zurück.
Im Rahmen des Klageverfahrens änderte die Beklagte die streitgegenständlichen Bescheide dahin gehend ab, dass die Versicherungspflicht der Beigeladenen nicht mehr generell festgestellt, sondern bezogen auf die Einsatztage als Testkäufern in der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung beschränkt wurde. Die Abänderung der Bescheid beruhte auf der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des BSG vom 26.02.2019 (B 12 R 8/18 R Rn. 21), wonach § 7a Abs.1 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund nicht zur bloßen Elementenfeststellung einer abhängigen Beschäftigung (d.h. zur Feststellung der Versicherungspflicht „dem Grunde nach“), sondern zur einzelfallbezogenen Feststellung der Versicherungspflicht verpflichtet. Eine nachträgliche Beschränkung des Zeitraums der Versicherungspflicht auf die Einsatztage war als teilweise Rücknahme des insofern belastenden angefochtenen Bescheids während des gerichtlichen Verfahrens zugunsten der Klägerin (§ 44 Abs 2 Satz 2 SGB X) ohne Prüfung eventuellen Vertrauensschutzes der Beigeladenen zulässig (vgl. § 49 SGB X; BSG, Urt. v. 23.04.2024 - B 12 BA 9/22 R Rn. 12, Pilot ohne eigenes Flugzeug). Anderenfalls wäre eine einheitliche Entscheidung gegenüber den Beteiligten eines Auftragsverhältnisses durch jeweils einen Bescheid nicht möglich.
Mit weiteren Bescheiden, die Gegenstand des Klageverfahrens (§ 96 SGG) wurden, stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses der Rentenversicherungspflicht unterlag. Hingegen bestand Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung (§ 8 SGB IV) bei der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (§ 7 SGB V, § 20 SGB XI) und keine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das LSG Berlin-Potsdam hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts als unbegründet zurückgewiesen.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Statusfeststellungsbescheid sei § 7a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB IV in der Fassung vom 12.11.2009 (gültig ab 01.09.2009 bis 04.04.2017). Danach entscheide die Beklagte auf Antrag der an einem Auftragsverhältnis Beteiligten, ob unter anderem Versicherungspflicht aufgrund von Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) bestehe.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urt. v. 19.10.2021 - B 12 KR 29/19 R Rn. 12, Notarzt im Rettungsdienst) setze eine abhängige Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 SGB IV) voraus, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliege. Diese Weisungsgebundenheit könne – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein.
Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig sei, richte sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hänge davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urt. v. 20.07.2023 - B 12 BA 1/23 R Rn. 13). Die sich an diesen Maßstäben orientierende Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit sei nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder vorzunehmen. Es sei daher möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen und der gelebten Praxis – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde. Abstrakte, einzelfallüberschreitende Aussagen im Hinblick auf bestimmte Berufs- oder Tätigkeitsbilder seien daher grundsätzlich nicht – auch nicht im Sinne einer „Regel-Ausnahme-Aussage“ – möglich (BSG, Urt. v. 28.06.2022 - B 12 R 3/20 R Rn. 13, Musikschullehrerin, „Herrenberg-Urteil“; BSG, Urt. v. 23.04.2024 - B 12 BA 9/22 R Rn. 14, Pilot ohne eigenes Flugzeug). Zu beurteilen seien die Verhältnisse, die sich nach Annahme eines Auftrages ergeben.
Bei Vertragsgestaltungen, in denen – wie hier – die Übernahme einzelner Dienste individuell vereinbart wird und insbesondere kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf (aus unbezahlter Freizeit) vorliege (vgl. LSG Essen, Urt. v. 04.11.2015 - L 8 R 526/13 Rn. 102, Fahrer zur Überführung von Kraftfahrzeugen), sei für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen. Außerhalb der Einzeleinsätze liege schon deshalb keine die Versicherungspflicht begründende „entgeltliche“ Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV vor, weil keine latente Verpflichtung der Beigeladenen bestanden habe, Tätigkeiten für die Klägerin auszuüben und die Klägerin auch umgekehrt kein Entgelt zu leisten gehabt hatte (BSG, Urt. v. 19.10.2021 - B 12 KR 29/19 R Rn. 14, Notarzt im Rettungsdienst). Für die Beurteilung der Versicherungspflicht sei vorliegend ausschließlich auf die einzelnen Tage der zu vergütenden Zugfahrten abzustellen.
Das LSG Berlin-Potsdam ist unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe der Ansicht, dass nach dem Gesamtbild die Indizien dafür überwiegen, wonach der Beigeladene ihre Tätigkeit als Testkäuferin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Klägerin ausgeübt habe. Die Beigeladene habe einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Klägerin unterlegen, da im Einzelnen vorgegeben worden sei, in welchem Zug auf welcher Strecke und an welchem Ort innerhalb des Zuges die Beigeladene die Testkaufbeobachtungen durchzuführen hatte. Der generelle Ort der Tätigkeit – d.h. die Züge der DB – ergebe sich zwar aus der Natur der Sache; hinzu treten jedoch weitere Vorgaben der Klägerin. Je enger der Tätigkeitsbereich organisatorisch vorgegeben sei, umso weniger unternehmerische Chancen und Risiken bestehen für die Beigeladene im Hinblick auf die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit. Die Dokumentation der Testkaufbeobachtungen innerhalb einer festgelegten Zeitspanne und die verpflichtende Teilnahme an Schulungen haben der Beigeladenen nur marginale Möglichkeiten zur autonomen Arbeitsgestaltung eröffnet.
Die Beigeladene habe – insoweit mit einem Beschäftigten vergleichbar – die ihr übertragenen Aufgaben stets persönlich und ohne eigene Mitarbeiter ausgeführt. Eigenes Kapital – wie der von der Beigeladenen zur Protokollierung von Testkäufen selbst genutzte Laptop – sei nicht in nennenswertem Umfang eingesetzt worden.
Liege das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lasse es dadurch Eigenvorsorge zu, sei dies ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit (BSG, Urt. v. 31.03.2017 - B 12 R 7/15 R Rn. 50, Erziehungsbeistand). Anhaltspunkte für die Zahlung einer mehr als „marktüblichen“ Vergütung haben in dem vom LSG Berlin-Potsdam entschiedenen Fall nicht vorgelegen.
Kontext der Entscheidung
Der Entscheidung des LSG Berlin-Potsdam ist vollumfänglich zu folgen.
Beschäftigungsverhältnisse unterliegen grundsätzlich der Sozialversicherungs- und Beitragspflicht, sofern nicht z.B. Versicherungsfreiheit wegen einer geringfügigen Beschäftigung nach den §§ 8, 8a SGB IV i.V.m. § 5 Abs. 2 SGB VI, § 7 SGB V besteht. Selbstständige Tätigkeiten begründen regelmäßig keine Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung; lediglich aus Gründen der sozialen Absicherung ordnet § 2 SGB VI die Rentenversicherungs- und Beitragspflicht für Selbstständige bei bestimmten Berufsgruppen (z.B. Lehrer, Erzieher, Gewerbetreibende mit Eintragung in der Handwerksrolle) oder für Solo-Selbstständige mit nur einem Auftraggeber an.
Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es nach Ansicht des BSG aus, die rechtliche Einordnung zum Typus Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit ausschließlich auf der Grundlage privatautonomer Vereinbarungen zu treffen. Die Sozialversicherung dient neben der sozialen Absicherung des Einzelnen auch dem Schutz der Mitglieder der Pflichtversicherungssysteme, die in einer Solidargemeinschaft zusammengeschlossen sind. Bei Trägern der Sozialversicherung als Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist es ausgeschlossen, dass über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit allein die von den Vertragschließenden getroffenen Vereinbarungen entscheiden (BSG, Urt. v. 04.06.2019 - B 12 R 11/18 R Rn. 19, Fachärztin für Anästhesie).
Vertragsbezeichnungen (z.B. Rahmenvertrag, freie Mitarbeit, Freelance), vertragliche Abreden zur Abbedingung von arbeits-, steuer- und sozialrechtlichen Regelungen (z.B. Ausschluss von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) und der übereinstimmende Wille der Vertragsbeteiligten sind – ohne dass die tatsächlichen Verhältnisse bei der Vertragsdurchführung mit einbezogen werden – für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung nicht maßgebend. Dem Vertragswillen kommt im Einzelfall nur dann eine gewichtige indizielle Bedeutung zu, wenn nach der Gesamtabwägung aller Umstände diese gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen (BSG, Urt. v. 28.06.2022 - B 12 R 3/20 R Rn. 16, Musikschullehrerin, „Herrenberg-Urteil“).
Die Möglichkeit eines Auftragsmangels oder Haftungsregelungen zulasten des Auftragnehmers lassen für sich genommen noch nicht auf ein Unternehmerrisiko schließen. Mehrere Auftraggeber des Auftragnehmers indizieren keine selbstständige Tätigkeit, da z.B. auch (Teilzeit-)Beschäftigte für mehrere Arbeitgeber tätig sein können (Mehrfachbeschäftigung). Vertragsregelungen, die vom gemeinsamen Willen von Auftraggeber und Auftragnehmer getragen sind, die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit festzulegen, sind allenfalls dann als Indiz zu berücksichtigen, wenn die tatsächlichen Umstände den Gestaltungsspielraum des Auftragnehmers belegen und nicht nur die eigene Arbeitskraft eingesetzt wird.
Die Beigeladene war für die Klägerin auch nicht im Zusammenhang mit einem drittbezogenen Personaleinsatz im Rahmen des § 7a SGB IV tätig. Eine bloße Arbeits- bzw. Personalvermittlung setzt voraus, dass ein Vermittler einen Vermittlungserfolg in Gestalt eines abgeschlossenen Arbeitsvertrags oder eines Vertrags über freie Mitarbeit erzielt (LSG Stuttgart, Urt. v. 17.05.2021 - L 11 BA 3492/19 Rn. 70). Die Klägerin „vermittelte“ die Beigeladene nicht an die DB, sondern schloss mit der Beigeladenen einen Vertrag, um den gegenüber der DB bestehenden Rahmen-Dienstleistungsvertrag im Hinblick von mindestens 400 Testbeobachtungen pro Monat zu erfüllen. Es lag auch keine Arbeitnehmerüberlassung vor, da die Klägerin sich gegenüber der DB nicht ausschließlich dazu verpflichtet hatte, die Beigeladene als Arbeitskraft an die DB zu überlassen, sondern zusätzlich für die DB auch die Dokumentation von Testbeobachtungen zu kontrollieren hatte. Weiterhin bestand ein unmittelbarer Vergütungs- und Haftungsanspruch nur im Verhältnis der Beigeladenen zur Klägerin (vgl. BSG, Urt. v. 19.10.2021 - B 12 R 17/19 R Rn. 15).
Auswirkungen für die Praxis
Nach Begründung eines Auftragsverhältnisses kann sich die Interessenlage sowohl des Auftragnehmers als auch des Auftragsgebers hinsichtlich der Beurteilung des versicherungsrechtlichen Status ändern. Selbst wenn ein Auftragsverhältnis bereits über einen längeren Zeitraum besteht oder bereits beendet wurde (BSG, Urt. v. 04.06.2009 - B 12 KR 31/07 R Rn. 32), kann sich das Interesse des Auftragnehmers – z.B. aufgrund eines Konflikts mit dem Auftraggeber – erstmals darauf richten, dass anstatt einer selbstständigen Tätigkeit nunmehr die Begründung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses begehrt wird, wie die Entscheidung des LSG Berlin-Potsdam verdeutlicht.
In diesen Fällen besteht für Auftraggeber – falls diese als Arbeitgeber zu beurteilen sind – das wirtschaftliche Risiko, ggf. für vier Jahre rückwirkend (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) die rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten (§§ 28d, 28e, 28g SGB IV), wobei allerdings zivilrechtliche Rückforderungen gegenüber der Auftragnehmerin als Beschäftigte bestehen können (vgl. BAG, Urt. v. 26.06.2019 - 5 AZR 178/18 Rn. 39 m. Anm. Fischer, jurisPR-ArbR 46/2019 Anm. 1). Für Auftragnehmer – bei denen der Arbeitgeber es zu Unrecht unterlässt, für diese eine Meldung (§ 28a Abs. 1 SGB IV) als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte bei der Einzugsstelle (§ 28h SGB IV) zu erstatten – besteht die Gefahr des Verlusts der sozialen Absicherung, falls nicht vom Rentenversicherungsträger rückwirkend im Rahmen von turnusmäßigen Betriebsprüfungen (§ 28p Abs. 1 SGB IV, § 11 Abs. 1 Satz 1 BVV) stichprobenartig versicherungsrechtliche Feststellungen getroffen werden.
Um Rechtssicherheit für Auftraggeber und Auftragnehmer bei der Abgrenzung der selbstständigen Tätigkeit zum abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu erlangen, führte der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit“ (BGBl I 2000, 2) mit Wirkung zum 01.01.1999 das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV ein, welches nicht auf eine bloße Elementenfeststellung (Versicherungspflicht „dem Grunde nach“) zu reduzieren ist (BSG, Urt. v. 26.02.2019 - B 12 R 8/18 R Rn. 21). Das bisherige Anfrageverfahren wurde mit Wirkung zum 01.04.2022 durch das Verfahren „Feststellung des Erwerbsstatus“ in § 7a SGB IV umfassend geändert (BGBl I 2021, 2970, 2990,
BT-Drs. 19/29893, S. 27) und als Elementenfeststellung ausgestaltet, um schneller Rechts- und Planungssicherheit herzustellen und die Beteiligten des Auftragsverhältnisses vor den Risiken einer unzutreffenden Statuseinschätzung zu schützen.