juris PraxisReporte

Autor:Prof. Dr. Michael Hippeli, LL.M., MBA, Ministerialrat
Erscheinungsdatum:20.02.2024
Quelle:juris Logo
Normen:Art 70 GG, Art 83 GG, § 13 BGB, § 4 FinDAG, Art 72 GG, Art 74 GG, Art 30 GG, Art 31 GG
Fundstelle:jurisPR-BKR 2/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Stephan Meder, Universität Hannover
Dr. Anna-Maria Beesch, RA'in und FA'in für Bank- und Kapitalmarktrecht
Zitiervorschlag:Hippeli, jurisPR-BKR 2/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Zusätzlicher finanzieller Verbraucherschutz im Sparkassensektor?

A. Hintergrund

Im Juni 2023 veröffentlichten die Verbraucherzentralen Bayern, Brandenburg und Hessen Forderungen unter dem Titel „Verbraucherinteressen stärken: Mehr Verbraucherschutz bei Sparkassen!“. Basis bildete ein von den drei Verbraucherzentralen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten mit dem Titel „Sparkassen und Verbraucherschutz - Möglichkeiten der Stärkung des Verbraucherschutzes im Sparkassenrecht der Länder“1.

B. Maßgeblicher Inhalt des Rechtsgutachtens

Das Rechtsgutachten weist zunächst auf den Prüfauftrag hin. So sollte die Rolle der Sparkassenaufsicht der Länder im Verbraucherschutz untersucht werden. Hintergrund seien materielle Probleme wie die Kündigung von Prämiensparverträgen, Zinsanpassungsklauseln sowie die Zustimmungsfiktion bei AGB-Änderungen und Gebühren. Die Sparkassenaufsichtsbehörden der Länder hätten sich insoweit nicht für zuständig gehalten, hier tätig zu werden.

Ausgangsbefund des Rechtsgutachtens ist die Feststellung, dass verbraucherrelevante Vorgaben im Sparkassensektor überwiegend im Bankenaufsichtsrecht des Bundes und der EU vorzufinden sind. Daneben gebe es bei unterschiedlicher Ausgestaltung der Sparkassengesetze der Länder dort auch Verbraucherthemen, wie etwa den stark diversifizierten Versorgungsauftrag oder die Pflicht zur Führung eines Girokontos auf Guthabenbasis. Jedoch wird festgestellt, dass die entsprechenden Vorgaben derart vage formuliert sind, dass sie von der jeweiligen Sparkassenaufsichtsbehörde eigentlich nie durchgesetzt werden können.

Nach dem Befund des Rechtsgutachtens ist die Sparkassenaufsicht in den Sparkassengesetzen der Länder als reine Rechtsaufsicht ausgestaltet. Dementsprechend könne die jeweilige Sparkassenaufsichtsbehörde nur bei Verstößen gegen geltendes Recht einschreiten. Allerdings sei umstritten, was hierunter genau zu verstehen ist. Einigkeit bestehe darin, dass zumindest das Sparkassenrecht der Länder Maßstab jener Rechtsaufsicht ist. Teilweise werde aber gefordert, dass die Sparkassenaufsichtsbehörden der Länder auch einschreiten dürfen, wenn gegen bundes- oder europarechtliche Bestimmungen verstoßen wird.

Das Rechtsgutachten vertritt schließlich die These, dass die Sparkassenaufsichtsbehörden der Länder auch Bundes- und Europarecht durchsetzen dürfen, soweit sie die Aufsicht der eigentlich für deren Durchsetzung zuständigen Bankenaufsichtsbehörden nicht stören oder konterkarieren. Weil die Sparkassenaufsicht im öffentlichen Interesse tätig wird, scheide ein Einschreiten zum Schutz von Rechten Einzelner in der Regel aus. Dies stelle sich aber ggf. anders dar, wenn Schadenersatzansprüche die Funktionsfähigkeit der Sparkasse bedrohen können oder das Vertrauen in die Sparkasse oder die Reputation der Sparkassen generell in Mitleidenschaft gezogen zu werden droht. Zudem könne über eine gesetzliche Begrenzung des Ermessens sichergestellt werden, dass die Sparkassenaufsichtsbehörden der Länder in bestimmten Fällen einschreiten müssen.

C. Stellungnahme und Auswirkungen für die Praxis

I. Einordnung des Sparkassenrechts der Länder

Das Sparkassenrecht der Länder stellt eine spezielle Form von Bankenrecht dar, welches neben das materielle Bankenrecht tritt. Materielles Bankenrecht ist einerseits das Bankerlaubnisrecht und die laufende Aufsicht über das betriebene und verfolgte Geschäftsmodell einer jeden Bank. Rechtsgrundlagen bilden im Wesentlichen das KWG und die CRR-VO. Die diesbezügliche Aufsicht liegt in Deutschland entweder bei BaFin und Bundesbank oder im Falle von systemrelevanten Banken bei der EZB, die ihrerseits allerdings auch auf BaFin und Bundesbank zurückgreift. Da jede Sparkasse auch eine Banklizenz benötigt, wird sie somit immer auch von diesen Behörden beaufsichtigt.

Daneben tritt die landesrechtliche Sparkassenaufsicht, die je nach Geschäftsverteilung in den Händen der Innen-, Finanz- oder Wirtschaftsministerien der Länder liegt. Die Sparkassenaufsichtsbehörden der Länder überwachen die Verwaltungsorganisation der Sparkassen.2 Gesetzlich zu überwachende Materien der Sparkassenaufsicht sind jedenfalls die Landessparkassengesetze und die Satzungen der einzelnen Sparkassen.

II. Inhalt der Rechtsaufsicht im Sparkassenrecht der Länder

Die Sparkassenaufsicht in den Sparkassengesetzen der Länder bedeutet eine reine Rechtsaufsicht über die Sparkassen in ihrer Eigenschaft als Anstalten des öffentlichen Rechts. Diese Rechtsaufsicht ist Folge der Anstaltseigenschaft, da Anstalten des öffentlichen Rechts als mittelbare Landesverwaltung über eine größere Staatsferne verfügen als unmittelbare Landesverwaltungen (= Behörden i.e.S.).

Die Eigenschaft als und Aufsichtstiefe der Rechtsaufsicht ergibt sich dabei aus den jeweiligen Formulierungen der einzelnen Sparkassengesetze der Länder. Beispielsweise heißt es in § 20 Abs. 3 Satz 1 des Hessischen Sparkassengesetzes:

„Die Aufsicht soll sicherstellen, dass die Sparkassen im Einklang mit den Gesetzen und den auf Grund der Gesetze erlassenen aufsichtsbehördlichen Anordnungen verwaltet werden“.

Etwa aus dem vorgenannten Wortlaut „im Einklang mit den Gesetzen“ in manchen Sparkassengesetzen der Länder (somit dem Plural) wird teilweise geschlossen, die Sparkassenaufsichtsbehörden dürften nicht nur die Einhaltung des landesspezifischen Sparkassenrechts überwachen, sondern auch Bundes- und Europarecht. Dieser Sichtweise nach soll eine Überlappung der Aufsichtstätigkeit insbesondere von Bundes- und Landesbehörden bewirkt werden.3 Etwa in Bezug auf Hessen greift das hierfür herangeführte Wortlautargument „Gesetze“ allerdings schon deshalb nicht, da zum dortigen Sparkassenrecht nicht nur das Hessische Sparkassengesetz zählt, sondern mit dem Fraspa-Gesetz auch ein weiteres Gesetz.

Leider wird von Befürwortern der Überlappungsthese auch das Rahmenwerk des GG für die föderale Kompetenzverteilung nicht beachtet. Eine doppelte Zuständigkeit einer Bundes- und einer Landesbehörde für denselben materiellen Regelungsbereich ist von Seiten des GG schlicht nicht vorgesehen. Die Regelungen der Art. 30 f., 70 ff., 83 ff. GG dienen vielmehr der exakten Zuständigkeitsabgrenzung; eine Mischverwaltung zwischen Bundes- und Landesbehörden auf dem Gebiet derselben Sachmaterie soll es eben gerade nicht geben.4 Zudem würden doppelte Aufsichtsstrukturen auf dem Gebiet des materiellen Bankenrechts für die jeweilige Sparkasse automatisch mehr Bürokratie und womöglich auch widersprüchliche Anordnungen bedeuten. Das Theoriemodell einer harmonischen Doppelaufsicht (wie vom Rechtsgutachten suggeriert) ist praktisch gar nicht vorstellbar.

III. Konzeption des finanziellen Verbraucherschutzes

Das Rechtsgutachten geht davon aus, dass die Sparkassenaufsichtsbehörden der Länder kollektiven finanziellen Verbraucherschutz, im Einzelfall sogar individuellen finanziellen Verbraucherschutz zu gewährleisten hätten. Diese Ansicht verkennt allerdings grundlegend die Konzeption des finanziellen Verbraucherschutzes in Deutschland.

Der teilweise verbraucherschützende Charakter der Sparkassengesetze der Länder war von den jeweiligen Landesgesetzgebern jedenfalls nicht intendiert und stellt vielmehr einen bloßen Rechtsreflex dar. So stammt etwa das Hessische Sparkassengesetz aus dem Jahr 1954, als an (finanziellen) Verbraucherschutz noch gar nicht zu denken war. Der Verbraucherbegriff wurde schließlich erstmals 1986 in das EGBGB fest in ein deutsches Gesetz verankert, im Jahr 2000 kam dann insbesondere mit der Schaffung von § 13 BGB der eigentliche Durchbruch im Verbraucherprivatrecht.5

Der öffentliche Verbraucherschutz begann sich dagegen erst später am primären Leitbild des gesundheitlichen Verbraucherschutzes herauszubilden. Anders als im Verbraucherprivatrecht, geht es beim öffentlichen Verbraucherschutz nicht um die Gefahr einer Paritätsstörung zwischen Verbraucher und Unternehmer, welche in der Privatautonomie begründet ist, sondern allein um den schwächeren Status der betroffenen natürlichen Person.6 Im Bank- und Kapitalmarktrecht dreht sich daher seit dem Jahr 2004 alles um den Status des Privatkunden bzw. Kleinanlegers.7

Verbraucherrelevante Belange etwa mit Blick auf den konkreten Giro- oder Darlehensvertrag sind als Teil des materiellen Bankenrechts der BaFin zur Befassung überantwortet, die seit 2015 nach § 4 Abs. 1a FinDAG dem kollektiven finanziellen Verbraucherschutz verpflichtet ist. Wie § 4 Abs. 4 FinDAG zeigt, nimmt die BaFin ihre Aufgaben und Befugnisse aber allein im öffentlichen Interesse wahr. Einen individuellen finanziellen Verbraucherschutz durch öffentlich-rechtliche Aufsichtstätigkeit gibt es somit in Deutschland nicht. Hier obliegt es dem jeweiligen Kleinanleger selbst, individuellen Rechtsschutz bei den Zivilgerichten zu suchen.8 Wenn dem aber der gesetzgeberischen Konzeption nach in Bezug auf alle Banken so ist, dann erschließt sich schon aus rein logischen Gründen nicht, warum Kleinanleger dann nur bei Sparkassen besser geschützt sein sollten, indem mit der jeweiligen Sparkassenaufsichtsbehörde des Landes a) eine zusätzliche Behörde in Form der jeweils landesrechtlichen Sparkassenaufsichtsbehörde ebenfalls kollektiven finanziellen Verbraucherschutz gewährleisten sollte, und b) diese Behörde partiell auch individuellen finanziellen Verbraucherschutz zur Verfügung stellen sollte. Denn dann wären Sparkassenkunden im Vergleich zu sonstigen Bankkunden stets besser geschützt.

Zudem hat der Bundesgesetzgeber im Regierungsentwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes 2015 darauf verwiesen, dass der öffentlich-rechtliche finanzielle Verbraucherschutz alleine in kollektiver Weise gewährleistet werden soll.9 Dies bedeute, dass die BaFin ausschließlich dem Schutz der Verbraucher in ihrer Gesamtheit verpflichtet ist, die mögliche Verletzung individueller Rechte jedoch nicht berücksichtigt wird.10 Die Gesetzgebungskompetenz für finanziellen Verbraucherschutz folge dabei Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft: Bank- und Börsenwesen), eine Bundesregelung sei i.S.d. Art. 72 Abs. 2 GG zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich.11

Daran ist zu erkennen, dass weder Raum war noch derzeit ist, zusätzlichen finanziellen Verbraucherschutz auf Ebene der Sparkassengesetze der Länder zu verorten. In Bezug auf kollektiven finanziellen Verbraucherschutz gilt seit dem Kleinanlegergesetz die strikte Sperrwirkung von Art. 72 Abs. 1 GG, da der Bund eben von seiner Gesetzgebungskompetenz bereits Gebrauch gemacht hat. Für den darüber hinaus ohnehin systemfremden individuellen finanziellen Verbraucherschutz bleibt zudem i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG i.V.m. Art. 30 GG kein Raum, da der Bundesgesetzgeber im Jahr 2015 hat erkennen lassen, dass er den finanziellen Verbraucherschutz aus seiner Sicht abschließend regeln wollte und dergestalt auch geregelt hat.

D. Ausblick

Das Rechtsgutachten vermag nicht zu überzeugen, denn zusätzlicher finanzieller Verbraucherschutz auf Ebene der Sparkassengesetze der Länder mag eine schöne Wunschvorstellung von Verbraucherschutzverbänden sein, verfassungsrechtlich und rechtspraktisch gesehen bleibt sie jedoch eine Chimäre. Soweit einzelne Sparkassengesetze der Länder (beispielsweise NRW oder Thüringen) den missverständlichen Wortlaut „Gesetze“ aufweisen, obwohl im Kern nur das Landessparkassengesetz Gegenstand der Aufsichtspraxis ist, so muss dieser Wortlaut im Lichte von Art. 31 GG teleologisch reduziert betrachtet werden.


Fußnoten


2)

Biesok, Sparkassenrecht, 2021, S. 23.

3)

Oebbecke, ZBB 2016, 336, 338; vgl. auch Iwers, Reichweite der Sparkassen- im Verhältnis zur Bankenaufsicht, S. 9.

4)

Vgl. BVerfG, Urt. v. 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331, 365; Ibler in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 100. Erg.-Lfg. Januar 2023, Art. 87 Rn. 195.

5)

Vgl. Martens in: BeckOK BGB, 67. Ed. 01.08.2023, § 13 Rn. 17 f.

6)

Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, 6. Aufl. 2018, S. 6.

7)

Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, S. 187.

8)

Bierschenk, NVwZ 2022, 307, 309.

9)

BR-Drs. 638/14, S. 38 ff.

10)
11)

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