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Anmerkung zu:BGH 7. Zivilsenat, Urteil vom 09.11.2023 - VII ZR 190/22
Autor:Prof. Dr. Reinhold Thode, RiBGH a.D.
Erscheinungsdatum:06.02.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 33 HOAI, § 307 BGB, Art 12 GG, § 2009-08-1 HOAI Anlage, Art 80 GG, § 1 HOAI 2009, § 1 RDG, § 10 RDG, § 2 RDG, § 5 RDG, § 134 BGB, § 634 BGB, § 311 BGB, § 241 BGB, § 280 BGB, § 823 BGB, § 3 RDG
Fundstelle:jurisPR-PrivBauR 2/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Bernd Siebert, RA und FA für Bau- und Architektenrecht
Zitiervorschlag:Thode, jurisPR-PrivBauR 2/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Außergerichtliche unerlaubte Rechtsberatung durch Architekten: Bauvertragsentwurf mit einer Skontoklausel zur Verwendung in Verträgen mit den bauausführenden Unternehmen



Leitsatz

Eine Vereinbarung, durch die sich ein Architekt verpflichtet, eine von ihm selbst entworfene, der Interessenlage des Bestellers entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung zu stellen, ist wegen eines Verstoßes gegen das in § 3 RDG geregelte gesetzliche Verbot nach § 134 BGB nichtig.



A.
Problemstellung
Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob eine Vereinbarung zwischen dem Architekten und seinem Auftraggeber, die den Architekten verpflichtete, eine Skontoklausel zu entwerfen und zur Verwendung durch den Auftraggeber in den Bauverträgen mit den Unternehmern zur Verfügung zu stellen, als unerlaubte Rechtsberatung gegen das Verbot des § 3 RDG verstößt und nach § 134 BGB nichtig ist. Der Bauherr verlangte von dem Architekten Schadensersatz, weil im Verfahren gegen die Unternehmer der Skontoabzug aufgrund der Unwirksamkeit der Skontoklausel nicht durchsetzbar gewesen sei. Das Besprechungsurteil des BGH bestätigt die Grundsätze des Urteils vom 11.02.2021 (I ZR 227/19 - MDR 2021, 570) zur Abgrenzung der erlaubten von der unerlaubten Rechtsberatung durch den Architekten (vgl. i.E. unten unter C sowie Anm. Schwenker zu BGH, Urt. v. 09.11.2023 - VII ZR 190/22, jurisPR-BGHZivilR 2024 unter C – noch nicht veröffentlicht).


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Anfang 2010 beauftragte die Klägerin den Beklagten mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 gemäß § 33 HOAI (2009) hinsichtlich des Neubaus eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes. Der Beklagte stellte der Klägerin einen Bauvertragsentwurf mit einer von ihm formulierten Skontoklausel zur Verfügung, den diese bei der Beauftragung von zumindest vier bauausführenden Unternehmern verwandte. Unter Verwendung dieses Bauvertragsentwurfs beauftragte die Klägerin im März 2011 auch die J. & J. Bau GmbH mit Erd- und Kanalisations- sowie Rohbauarbeiten. Dieser Vertrag enthält unter „E. Auftragsbestätigung“ folgende Vereinbarung: „Die Fa. J. gewährt … ein Skonto von 3% bei Zahlungen der durch die Bauleitung geprüften und angewiesenen Abschlagszahlungen bzw. Schlussrechnung innerhalb 10 Arbeitstagen nach Eingang bei der Bauherrschaft.“ Von der Schlussrechnung der J. & J. Bau GmbH behielt die Klägerin einen 3%igen Skontoabzug von 105.125 Euro netto (entsprechend 125.098,75 Euro brutto) ein. In einem Rechtsstreit der Klägerin gegen die J. & J. Bau GmbH erhob diese Widerklage auf Zahlung von 125.098,75 Euro mit der Begründung, die Skontoklausel sei als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam, so dass die Klägerin zu Unrecht von der Schlussrechnung 125.098,75 Euro einbehalten habe. In diesem Prozess schlossen die Klägerin und die J. & J. Bau GmbH einen Vergleich, in dem sich die Klägerin den von der Schlussrechnung zurückbehaltenen Betrag auf die von ihr gegen die J. & J. Bau GmbH geltend gemachten Ansprüche anrechnen ließ.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr sei der auf die Schlussrechnung der J. & J. Bau GmbH vorgenommene Skontoabzug nur deshalb nicht verblieben, da die vom Beklagten vorgeschlagene Skontoklausel unwirksam gewesen sei. Der Beklagte sei deshalb zum Schadensersatz i.H.v. 125.098,75 Euro verpflichtet. Das Landgericht (LG Tübingen, Urt. v. 23.12.2021 - 7 O 426/20) hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht (OLG Stuttgart, Urt. v. 30.09.2022 - 10 U 12/22 - MDR 2023, 29 m. Anm. Fischer, jurisPR-PrivBauR 1/2023 Anm. 3) die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen:
Der Beklagte habe mit der Skontoklausel eine Allgemeine Geschäftsbedingung vorgeschlagen, die einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhalte. Denn nach der Skontoklausel beginne die Skontofrist erst nach der Prüfung der Rechnung durch den Architekten und der Weiterleitung der geprüften Rechnung mit dem Eingang beim Auftraggeber, ohne dass der Auftragnehmer auf diesen Zeitraum vom Eingang der Rechnung beim Architekten bis zu deren Eingang beim Auftraggeber irgendeinen Einfluss hätte. Damit könne der Beginn der Skontofrist von Seiten des Auftraggebers auf einen vom Auftragnehmer nicht beherrschbaren Zeitraum verschoben werden. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers dar. Der Beklagte habe mit dem Vorschlag zur Verwendung der Skontoklausel jedoch keine Pflicht verletzt. Nach Anlage 11 zu § 33 Satz 3 HOAI (2009) gehöre zur Leistungsphase 7 gemäß Buchst. h die Mitwirkung bei der Auftragserteilung. Unter Mitwirkung bei der Auftragserteilung sei die Vorbereitung und Anpassung der Verträge zu verstehen. Damit komme jedoch nicht zum Ausdruck, dass der Beklagte einen juristisch geprüften, rechtlich einwandfreien Vertragsentwurf geschuldet habe. Ein Architekt würde wie ein Rechtsanwalt behandelt werden, wenn man ihm die Pflicht auferlegte, jede selbst entworfene oder aus einen ihm zur Kenntnis gelangten Bauvertrag entnommene Klausel einem Anwalt zur Überprüfung vorzulegen. Anderenfalls könnte der Architekt einer Haftung im Bereich der Vertragsgestaltung nur entgehen, wenn er sich selbst anwaltlich beraten lassen würde. Das Architektenhonorar decke jedoch grundsätzlich die Leistung des Architekten ab und nicht zusätzliche Anwaltskosten. Ein Bauherr könne auch von seinem Architekten angesichts von dessen Ausbildung bei der Vertragsgestaltung keine vertieften juristischen Kenntnisse erwarten. Vor diesem Hintergrund sei eine Verletzung einer – beschränkten – Pflicht des Beklagten zur juristischen Kontrolle der von ihm vorgeschlagenen Skontoregelung nicht festzustellen.
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BGH hat das Berufungsurteil mit im Wesentlichen folgender Begründung aufgehoben und der Sache an das Berufungsgericht zurückgewiesen:
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Zwar hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus den §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB verneint. Der Revision kann aber gleichwohl der Erfolg nicht versagt werden, weil das Berufungsgericht bei seiner rechtlichen Würdigung den Streitstoff nicht ausgeschöpft hat. Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts kommt nämlich ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz aus den §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB beziehungsweise aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 RDG in Betracht, weil der Beklagte durch die Zurverfügungstellung der von ihm selbst entworfenen Skontoklausel gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen hat. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht geprüft und deshalb eine hierauf gestützte Haftung des Beklagten in seine Erwägungen nicht einbezogen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte einen Vertragstext mit der von ihm selbst entworfenen Skontoklausel der Klägerin zu deren Verwendung in ihren eigenen Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung gestellt. Die Klägerin hat diese Klausel in der Annahme, dass sie ihrer Interessenlage gerecht wird, bei Vertragsabschlüssen mit zumindest vier bauausführenden Unternehmern verwendet. Dieser Erwartung der Klägerin wollte der Beklagte auch entsprechen, da er nach seinem Vortrag die von ihm entworfene Skontoklausel vor ihrer Verwendung einem Rechtsanwalt zur Prüfung vorgelegt hat. Auf dieser Grundlage kann eine Haftung des Beklagten nicht damit abgelehnt werden, „jedem“ habe klar sein müssen, dass der Beklagte als Architekt nicht über entsprechende juristische Kenntnisse verfüge. Ein solcher Erfahrungssatz besteht nicht. Dem Besteller als im Regelfall Laien auf dem Gebiet des Bauens und des Rechts erschließt sich grundsätzlich nicht, was von der Kompetenz des Architekten noch umfasst wird oder ausschließlich zum Aufgabenbereich der Anwaltschaft gehört.
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft außer Betracht gelassen, dass die Parteien mit der Zurverfügungstellung der Skontoklausel durch den Beklagten, damit die Klägerin diese zur Wahrnehmung ihrer Interessen in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern verwenden konnte, eine gemäß § 3 RDG unzulässige Rechtsdienstleistung zum Gegenstand ihres Architektenvertrages gemacht haben. Der Verstoß gegen § 3 RDG entzieht zwar einem Schadensersatzanspruch aus den §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB die erforderliche vertragliche Grundlage, da er jedenfalls insoweit zur Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 134 BGB führt, als dieser die unerlaubte Rechtsdienstleistung umfasst. Er schließt aber eine Haftung des Beklagten aus den §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB beziehungsweise aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 RDG nicht aus.
Nach § 3 RDG ist die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Die Voraussetzungen von § 3 RDG liegen vor. Der Beklagte erbrachte eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 RDG, die weder durch § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 RDG noch durch Anlage 11 Leistungsphase 7 Buchstabe h zu § 33 Satz 3 HOAI (2009) erlaubt wird und für die es auch sonst keine Rechtfertigung gibt. Der Beklagte hat eine Rechtsdienstleistung erbracht, indem er der Klägerin eine vermeintlich ihrer Interessenlage entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung gestellt hat.
Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine Prüfung des Einzelfalls erfordert. Nach der Rechtsprechung des BGH erfasst diese Vorschrift jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über die bloße schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht. Ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt, ist unerheblich. Nach diesen Maßstäben erforderte die Zurverfügungstellung der Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern eine Prüfung im Einzelfall, ob die Regelung der Interessenlage der Klägerin entspricht. Die Rechtsdienstleistung des Beklagten war nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 RDG erlaubt. Danach sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Ziel dieser Regelungen ist es einerseits, diejenigen, die in einem nicht spezifisch rechtsdienstleistenden Beruf tätig sind, in ihrer Berufsausübung nicht zu behindern und andererseits, den erforderlichen Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten. Auf dieser Grundlage handelte es sich bei der vom Beklagten übernommenen Pflicht, der Klägerin eine ihrer Interessenlage entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung zu stellen, nicht um eine Nebenleistung, die zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Architekten gehört. Der Architekt hat die Pflicht, die Leistungen zu erbringen, die erforderlich sind, um die mit dem Besteller vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Dieses Aufgabengebiet und damit das Berufsbild des Architekten hat in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen. So kann es zum Erreichen der vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele notwendig sein, über Kenntnisse des öffentlichen und privaten Baurechts zu verfügen und diese in der Beratung des Bauherrn umzusetzen. Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Architekt als geschäftlicher Oberleiter, sachkundiger Berater und Betreuer des Bauherrn nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des BGB und der entsprechenden Vorschriften der VOB/B besitzen (BGH, Urt. v. 26.04.1979 - VII ZR 190/78 - MDR 1979, 837 Rn. 14). Die Tätigkeit des Architekten kann zudem erfordern, dem Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern und in diesem Zusammenhang öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Bauplanungs- und Bauordnungsrecht in seine Beratung einzubeziehen. Insoweit soll der Architekt in seiner Berufsausübung durch das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht behindert werden.
Der Architekt ist jedoch nicht einem Rechtsberater des Bauherrn gleichzusetzen. Eine allgemeine Rechtsberatung wird von dem Berufsbild des Architekten nicht erfasst, da es insoweit an einer hinreichenden juristischen Qualifikation fehlt. Insoweit greift der Zweck des Rechtsdienstleistungsgesetzes, den Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten. Die Zurverfügungstellung einer der Interessenlage der Klägerin entsprechenden Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern geht über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundenen Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus. Denn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordert qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden sind. Es bedarf deshalb des Schutzes des Bauherrn als Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rat. Demgegenüber wird der Architekt in seiner Berufsausübung nicht behindert, da er die mit dem Bauherrn vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele erreichen kann, ohne selbst eine Skontoklausel zur Verfügung zu stellen, die die Interessenlage des Bauherrn im Verhältnis zu den bauausführenden Unternehmern abbildet. Der Architekt muss den Bauherrn nur darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt ist und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden hat. Die vom Senat getroffene Auslegung des Rechtsdienstleistungsgesetzes verletzt deshalb den Beklagten nicht in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).
Die von dem Beklagten übernommene Rechtsdienstleistung war des Weiteren durch Anlage 11 Leistungsphase 7 Buchstabe h zu § 33 Satz 3 HOAI (2009) (im Folgenden: Anlage 11) weder unmittelbar noch mittelbar erlaubt. Nach dieser Regelung erhält ein Architekt ein Entgelt für das „Mitwirken bei der Auftragserteilung“. Insoweit wird vertreten, der Architekt sei verpflichtet, Verträge zu entwerfen bzw. sämtliche Vertragsunterlagen zusammenzustellen, die auf die Interessen des Bauherrn abgestellt sind (Nachweise Rn. 33). Soweit der Verordnungsgeber insbesondere für rechtsbesorgende Tätigkeiten im Rahmen der HOAI eine Vergütung vorgesehen habe, sei damit ein Erlaubnistatbestand i.S.v. § 5 Abs. 1 RDG geschaffen, weil ansonsten eine Leistung vergütet werde, die wegen § 134 BGB nicht wirksam vereinbart werden könne. Ein Erlaubnistatbestand i.S.v. § 5 Abs. 1 RDG kann unmittelbar aus Anlage 11 bereits deshalb nicht abgeleitet werden, weil der Verordnungsgeber durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in Art. 10 § 1 MRVG nicht ermächtigt wurde, Erlaubnistatbestände für die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen i.S.v. § 3 RDG zu regeln. Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der dem Verordnungsgeber erteilten Ermächtigung in dem ermächtigenden Gesetz bestimmt werden. Beachtet die Verordnung diese Grenzen der Ermächtigung nicht, ist sie insoweit unwirksam. Mit Art. 10 § 1 MRVG hat der Gesetzgeber die Bundesregierung ausschließlich ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats eine Honorarordnung für Ingenieur- und Architektenleistungen zu erlassen. Art. 10 § 1 MRVG enthält dagegen über die reinen Honorarregelungen hinaus keine Ermächtigung, das Architekten- und Ingenieurrecht zu gestalten und beispielsweise Erlaubnistatbestände für grundsätzlich unzulässige Rechtsdienstleistungen zu normieren. Dementsprechend ist Anlage 11 verfassungskonform dahin gehend auszulegen, dass diese Regelung keinen Erlaubnistatbestand i.S.v. § 3 RDG enthält. Aus Anlage 11 kann daher auch nicht mittelbar geschlossen werden, eine Vereinbarung über die Zurverfügungstellung einer Skontoklausel, die die Interessen des Bauherrn berücksichtigt, zur Verwendung in den Verträgen mit bauausführenden Unternehmern sei vom Berufsbild des Architekten gedeckt. Eine solche Auslegung verkennt zudem das Verhältnis von formellen und materiellen Gesetzen wie dem Rechtsdienstleistungsgesetz zu bloß materiellen Gesetzen wie der HOAI als Rechtsverordnung. Die HOAI steht als Rechtsverordnung im Rahmen der Normenhierarchie unter dem Rechtsdienstleistungsgesetz als formellem Gesetz, das deshalb Vorrangwirkung entfaltet. Dementsprechend ist nicht das Rechtsdienstleistungsgesetz unter Heranziehung der Honorarregelungen der HOAI auszulegen. Vielmehr ist umgekehrt bei der Frage der Auslegung von Anlage 11 zu berücksichtigen, dass es keine Vergütung für eine Verpflichtung geben kann, die nach § 3 RDG i.V.m. § 134 BGB nichtig ist. Schließlich ist die von dem Beklagten übernommene unzulässige Rechtsdienstleistung nicht deshalb gerechtfertigt, weil er sich nach seinem Vortrag hinsichtlich der Skontoklausel der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient hat. Die Einbeziehung eines Rechtsanwalts als Erfüllungsgehilfen zur Erbringung der Rechtsdienstleistung ändert nichts an der Unzulässigkeit der Rechtsdienstleistung und der Nichtigkeit der entsprechenden schuldrechtlichen Vereinbarung.
Vereinbarungen, die auf die Erbringung einer unerlaubten Rechtsdienstleistung zielen, sind nach § 134 BGB nichtig. Die Nichtigkeit der Vereinbarung der Parteien zur Pflicht des Beklagten, eine der Interessenlage der Klägerin entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung zu stellen, führt nicht dazu, dass der streitgegenständliche Anspruch nicht besteht. Zwar ergibt sich ein solcher Anspruch, wie vom Berufungsgericht ausschließlich geprüft, nicht aus den §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB. Er kann jedoch unter den Voraussetzungen der §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB bzw. gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 RDG zuzusprechen sein.


C.
Kontext der Entscheidung
Der BGH hat die Grundsätze zur Unterscheidung zwischen erlaubter und unerlaubter Rechtsberatung durch einen Architekten in seiner Entscheidung vom 11.02.2021 (I ZR 227/19 - NZBau 2021, 259 = MDR 2021, 570, dazu: Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 7/2021 Anm. 1 und Thode, jurisPR-PrivBauR 5/2021 Anm. 1; Besprechungsaufsatz Binder, ZfBR 2021, 491) festgelegt und im Besprechungsurteil bestätigt und weiterentwickelt. Der Entscheidung liegt eine Unterlassungsklage der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer gegen eine Architektin zugrunde, die ihren Auftraggeber in einem bauordnungsrechtlichen Widerspruchsverfahren vertreten hatte. Der BGH hat entschieden, dass diese Rechtsdienstleistungen durch oder aufgrund anderer Gesetze als dem Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubt sind (§§ 1 Abs. 3, 3 Fall 2 RDG):
Nach der Konzeption des Rechtsdienstleistungsgesetzes besteht eine Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen nach anderen Gesetzen als dem RDG zum einen für die speziell rechtsdienstleistenden Tätigkeiten der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, die im jeweiligen Berufsgesetz geregelt sind. Zum anderen finden sich auch in anderen Gesetzen Vorschriften, die Rechtsberatungsbefugnisse enthalten. Eine erlaubte Rechtsberatung nach solchen anderen Gesetzen kommt allerdings nur in Betracht, wenn spezielle Rechtsdienstleistungsbefugnisse dort hinreichend konkret geregelt sind, die Befugnis also schon nach dem Wortlaut der Norm für einen bestimmten Bereich oder spezielle Tätigkeiten eingeräumt wird. Entsprechend konkrete Regelungen hat der I. Zivilsenat für den von ihm entschiedenen Fall nicht feststellen können. Auch der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) hat der I. Zivilsenat keine Rechtsdienstleistungsbefugnis außerhalb des RDG entnehmen können, da sie keine hinreichend konkreten Regelungen enthält, die Rechtsdienstleistungen gestatten. Die innerhalb der jeweiligen Leistungsphasen zu erbringenden Leistungen können lediglich bei der Frage Bedeutung erlangen, ob die Rechtsdienstleistungen nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt sind, weil sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild von Architekten gehören. Die in der Entscheidung des I. Zivilsenats in Rede stehenden Tätigkeiten waren auch keine erlaubten Nebenleistungen i.S.d. §§ 3 Fall 1, 5 Abs. 1 RDG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit gestattet, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ziel der Vorschrift ist es einerseits, diejenigen, die in einem nicht spezifisch rechtsdienstleistenden Beruf tätig sind, in ihrer Berufsausübung nicht zu behindern, und andererseits, den erforderlichen Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten. Erlaubt ist die Tätigkeit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 RDG nur, wenn sie zum Berufs- oder Tätigkeitsbild desjenigen gehört, der die Rechtsdienstleistung erbringt, und wenn sie eine Nebenleistung zu einer Haupttätigkeit ist. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 2 RDG). § 5 Abs. 1 RDG kann nur Anwendung finden, wenn die fragliche Rechtsdienstleistung nicht selbst wesentlicher Teil der Haupttätigkeit ist. Der Schwerpunkt der Tätigkeit muss, soweit es sich nicht um Dienstleistungen von Angehörigen steuerberatender Berufe oder nach § 10 RDG registrierter Personen handelt, stets auf nichtrechtlichem Gebiet liegen. Das Aufgabengebiet der Architekten hat in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen. Architekten sind sachkundige Berater und Betreuer des Bauherrn auf dem Gebiet des Bauwesens und müssen über nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des BGB und der Vorschriften der VOB/B verfügen. Die Beratungs- und Betreuungstätigkeit der Architekten dient dazu, dem Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern. Im Rahmen der Grundlagenermittlung etwa hat ein Architekt deshalb Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber seinem Auftraggeber, die sich auch auf öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Bauplanungs- und Bauordnungsrecht beziehen. Die Betreuungs- und Beratungspflichten der Architekten können dabei auch nach außen tretende rechtsberatende Elemente enthalten. Denkbar ist dies insbesondere dann, wenn im Zuge der Betreuung und Beaufsichtigung von Fertigstellungs- und Mängelbeseitigungsarbeiten für den Bauherrn Ansprüche gegenüber dem Werkunternehmer geltend zu machen sind. Aus all dem folgt jedoch nicht, dass zum Tätigkeitsbild der Architektinnen und Architekten bezogen auf Fragen des öffentlichen Rechts mehr als die fachliche, technische Begleitung und ggf. damit zusammenhängende Empfehlungen rechtlicher Art gehören. Mit einem Rechtsberater des Bauherrn ist der Architekt nämlich nicht gleichzusetzen.
Eine Vertretung des Bauherrn im Rahmen gerichtlicher (Vor-)Verfahren geht über die typischerweise mit der beratenden Rolle des Architekten verbundenen Aufgaben hinaus. Sie erfordert in der Regel qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur bei Rechtsanwälten und registrierten Personen i.S.d. § 10 RDG vorausgesetzt werden können (i.E. Zur Abgrenzung erlaubter von nicht erlaubter Rechtsdienstleistungen durch den Architekten vgl. Hirz/Radunski in: BeckOK RDG, 27. Ed. Stand: 01.07.2023, § 5 RDG Rn. 74-82 m. umfangr.w.N. der Rspr. und Lit.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Der BGH hat mit dieser Entscheidung seine bisherige Kasuistik zur Frage, ob die jeweils von einem Architekten entfaltete Rechtsdienstleistung die Voraussetzungen für eine erlaubte Nebenleistung i.S.d § 5 Abs. 1 RDG erfüllt, fortgeschrieben (i.E. hierzu Hirtz in: BeckOK RDG, 27. Ed. Stand: 01.07.2023, § 5 Rn. 74 bis 82 m.N. der Rspr. des BGH).
Für die Zuordnung von Rechtsdienstleistungen, die von Architekten erbracht werden, existiert keine dogmatische Definition, die eine sichere Unterscheidung zwischen erlaubten und unerlaubten Tätigkeiten i.S.d. § 5 Abs. 1 RDG ermöglicht. Vielmehr erfordert die Beurteilung im konkreten Fall eine mehrstufige Prüfung anhand von abstrakten Wertungskriterien, die einen weiten Wertungsspielraum eröffnen. Eine einzelne isolierte Tätigkeit des Architekten, die in keiner Beziehung zu einer seiner Haupttätigkeiten steht, kann keine erlaubte Rechtsdienstleistung sein. Es müssen zwei Tätigkeiten vorliegen, eine berufsspezifische Haupttätigkeit des Architekten und Rechtsdienstleistung als Nebenleistung (Hirtz in: BeckOK RDG, 27 Ed. Stand: 01.07.2023, § 5 Rn. 23-25a). Die Antwort auf die Frage, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 RDG gegeben sind, erfordert folgende Prüfungsschritte (zu den einzelnen Beurteilungskriterien I.E: Hirtz in: BeckOK RDG, 27. Ed. Stand: 01.07.2023, § 5 Rn. 33 bis 54):
ob im Zusammenhang mit einer Tätigkeit des Architekten Rechtsdienstleistungen i.S.d. § 2 RDG erbracht werden,
ob die konkrete Haupttätigkeit, die keine Rechtsdienstleistung ist, zum Berufs- und Tätigkeitsbild des Architekten gehört,
ob die Rechtsdienstleistung in einem sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit steht,
ob die Rechtskenntnisse für die Haupttätigkeit erforderlich sind und
ob diese Rechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtleistung die Leistung insgesamt nicht prägt, so dass „es sich insgesamt nicht um eine spezifisch (allgemein-)rechtliche Leistung handelt“ (RegE BT-Drs. 16/3655, S. 51, 52).
Das Kriterium der Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind, erweist sich in der Praxis zur Abgrenzung als besonders problematisch, weil das Kriterium aufgrund seiner Funktion keinen bestimmbaren, abstrakten Inhalt hat. Es dient dazu abzugrenzen, ob die Rechtsdienstleistung die Tätigkeit eines Rechtsanwalts erfordert, oder ob die berufliche Stellung und Qualifikation des Dienstleisters ausreicht, der über keine einem Rechtsanwalt vergleichbaren rechtlichen Kenntnisse und Ausbildung verfügt (Hirtz in: BeckOK RDG, 27. Ed. Stand: 01.07.2023, § 5 Rn. 51 bis 54).
Im Hinblick auf die Vielfalt der berufsspezifischen Tätigkeiten des Architekten und dem weiten Wertungsspielraum der Tatbestandsmerkmale der §§ 2, 5 Abs. 1 RDG bietet die Rechtsprechung des BGH und der Instanzgerichte eine für die Praxis hilfreiche Möglichkeit, die abstrakten Wertungskriterien in Wege der Fallvergleichung zu konkretisieren (vgl. zur Konkretisierung von Generalklauseln durch die Vergleichsfallmethode i.E. Möllers, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 6 Rn. 134; § 7 Rn. 44 ff., 69 ff.). Durch die Entscheidung des BGH und durch den Hinweisbeschluss des OLG Koblenz (Hinweisbeschl. 07.05.2020 - 3 U 2182/19 - NZBau 2021, 187, Rn. 12 f. m. Anm. Schwenker u. m. Anm. Fischer, jurisPR-PrivBauR 12/2020 Anm. 1) ist die Grundlage für eine Konkretisierung der Wertungskriterien um zwei Entscheidungen erweitert worden.
§ 3 RDG hat zur Folge, dass der zugrunde liegende Vertrag gemäß § 134 BGB jedenfalls in dem Umfang nichtig ist, als er von der unerlaubten Rechtsdienstleistung erfasst wird (Besprechungsurteil Rn. 22). Damit entfällt in diesem Umfang die Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers aus den §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB gegen den Architekten jedenfalls insoweit, als aufgrund der Nichtigkeit die erforderliche vertragliche Grundlage fehlt (Besprechungsurteil Rn. 22). Die Regelung des § 3 RDG schließt eine Haftung des Architekten aus den §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB beziehungsweise aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 RDG nicht aus (Besprechungsurteil Rn. 22, 40; BGH, Urt. v. 27.11.2019 - VIII ZR 285/18 - NJW 2020, 208 Rn. 94; zu den Folgen eines Verstoßes i.E. Grunewald in: BeckOK RDG, 27. Ed. Stand: 01.10.2023, § 4 RDG Rn. 42-45 m.w.N.; Thode, jurisPR-PrivBauR 5/2021 Anm. 1 unter C; Anm. Mayer zum BU FD-RVG 2023, 820563) Die Folge einer unerlaubten Rechtsberatung besteht darin, dass kein Versicherungsschutz besteht (Fischer, jurisPR-PrivBauR 12/2020 Anm. 1 unter D; Schwenker, jurisPR-BGHZivilR 7/2021 Anm. 1 unter D). Die Sekundärrechte aus einem Bauvertrag sind keine Nebenleistungen zum Architektenwerk, so dass sie nach § 3 RDG unzulässig wären (OLG Koblenz, Hinweisbeschl. v. 07.05.2020 - 3 U 2182/19 LS 3 Rn. 10 mit zustimmender Anm. Schwenker, NZBau 2021, 190).



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