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Anmerkung zu:OLG Hamburg 5. Strafsenat, Beschluss vom 31.01.2023 - 5 Ws 5 - 6/23
Autor:Dr. Florian Albrecht, M.A, Regierungsdirektor
Erscheinungsdatum:19.02.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 140 StGB, Art 5 GG, § 13 VStGB
Fundstelle:jurisPR-StrafR 4/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Mayeul Hiéramente, RA und FA für Strafrecht
Zitiervorschlag:Albrecht, jurisPR-StrafR 4/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Die Verwendung des „Z“-Symbols ist strafbar, weil hierdurch Staatsoberhäupter (im Ausland) ermutigt werden können, ihre politischen Ziele mittels eines Angriffskrieges zu verfolgen



Orientierungssatz zur Anmerkung

Für die Strafbarkeit nach § 140 Nr. 2 StGB wegen Billigung eines Aggressionsverbrechens i.S.d. § 13 VStGB reicht es aus, dass durch die Tathandlung allgemein und unter Umständen auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zur Schaffung eines Klimas beigetragen wird, in dem das Gewaltverbot des Art. 2 Abs. 4 UN-Charta zunehmend als „leere Hülse“ erscheint, so dass Führungspersonen beliebiger Staaten - einschließlich des Täters der gebilligten Vortat - ermutigt werden könnten, von Angriffskriegen als einem vermeintlich probaten Mittel zur Durchsetzung der eigenen nationalen Interessen in Zukunft häufiger Gebrauch zu machen.



A.
Problemstellung
Mittels des Zeigens des Z-Symbols wird im öffentlichen Raum – beispielsweise im Rahmen von Versammlungen – zum Ausdruck gebracht, dass der Angriffskrieg (zum Begriff des Angriffskrieges vgl. Herdegen in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Werkstand: 102. Ergänzungslieferung aus August 2023, Art. 26 Rn. 21 ff.) der russischen Staatsführung auf die Ukraine für gerecht gehalten oder jedenfalls befürwortet wird. Die Zulassungsstelle der Stadt Herford in Nordrhein-Westfalen hat vor diesem Hintergrund angekündigt, keine amtlichen Pkw-Kennzeichen mehr auszugeben, auf denen ein einzelnes „Z“ zu sehen ist und der Schweizer Versicherungskonzern ZURICH verzichtet in sozialen Netzwerken auf sein weltbekanntes Erkennungslogo (BT-Drs. 20/2181, S. 3). Mit der Frage, ob der Gebrauch des Z-Symbols aber auch strafbar ist, hatte sich das OLG Hamburg zu befassen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Dem Angeklagten war die öffentliche Billigung von Straftaten (§ 140 Nr. 2 StGB) vorgeworfen worden, weil er in 44 Fällen im Zusammenhang mit Postings in sozialen Netzwerken das Z-Symbol verwendet und dadurch, wie sich aus dem jeweiligen Kontext ergebe, eine rechtswidrige Tat in Gestalt des Angriffskriegs der Russischen Föderation gegen die Ukraine (§ 13 VStGB) befürwortet habe.
Das OLG Hamburg zeigt auf, dass es sich bei dem russischen Angriff auf die Ukraine um einen Angriffskrieg i.S.d. § 13 Abs. 1 und 3 VStGB handelt (Rn. 12 ff.), wobei sich diese Vortat als „rechtwidrige Tat“ i.S.d. § 140 Nr. 2 StGB eignet (Rn. 19 ff.). Auf die Begehung dieser Vortat oder deren Verfolgbarkeit in Deutschland kommt es nicht an (Rn. 20; a.A. Heuchemer in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 59. Edition mit Stand: 01.11.2023, § 140 Rn. 9). Sodann erläutert der 5. Strafsenat die Bedeutung des Z-Symbols als allgemein bekanntes Zeichen für die Unterstützung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine (Rn. 23) und stellt fest, dass der Angeklagte mit dem Zeigen des Z-Symbols über Kanäle der sozialen Medien diese Vortrat auch öffentlich (Rn. 25) gebilligt hat (Rn. 21).
Die billigenden Äußerungen des Angeklagten sind aus Sicht des 5. Strafsenats auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, obwohl ihnen die vom BGH geforderte „kriminogene Inlandswirkung“ fehlt, weil niemand damit rechnen muss, dass mittels solcher Äußerungen in Deutschland die Bereitschaft zur Begehung ähnlicher Delikte („Angriffskrieg“) gefördert wird (Rn. 26 ff.). Das OLG Hamburg stützt seine Auffassung auf den Schutzzweck des § 140 Nr. 2 StGB, der „abgeleiteter Natur“ ist und wonach der durch die Katalogtaten jeweils gewährte Schutz erweitert werden soll (Rn. 32). Im vorliegend relevanten Falle der Straftat nach § 13 VStGB nehme § 140 Nr. 2 StGB das Gewaltverbot in den Blick und schütze somit „alle potentiell von einem Angriffskrieg betroffenen Staaten“ (Rn. 32). Der öffentliche Friede sei demnach auch dann gefährdet, wenn „außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zur Schaffung eines Klimas beigetragen wird, in dem das Gewaltverbot des Art. 2 Abs. 4 UN-Charta zunehmend als ‚leere Hülse‘ erscheint, so dass Führungspersonen beliebiger Staaten […] ermutigt werden könnten, von Angriffskriegen als einem vermeintlich probaten Mittel zur Durchsetzung der eigenen nationalen Interessen in Zukunft häufiger Gebrauch zu machen“ (Rn. 32). Eine Inlandswirkung sei zudem deshalb feststellbar, weil mittels der Äußerungen des Angeklagten die Befürchtung genährt wird, „künftig in einer Welt leben zu müssen, in der häufiger als bisher Angriffskriege entfacht werden, deren unmittelbare Auswirkungen sich […] früher oder später auch auf das deutsche Staatsgebiet erstrecken könnten“ (Rn. 32).


C.
Kontext der Entscheidung
Taugliches Objekt der Billigung i.S.v. § 140 Nr. 2 StGB ist auch eine nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts unterfallende Auslandskatalogtat, wenn sie zur Störung des inländischen öffentlichen Friedens geeignet ist (BGH, Beschl. v. 20.12.2016 - 3 StR 435/16; LG München, Beschl. v. 03.01.2024 - 29 Qs 27/23 Rn. 41; Ostendorf/Kuhli in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, 6. Auflage 2023, § 140 Rn. 11). Diesbezüglich ist nach Auffassung des BGH allerdings eine „kriminogene Inlandswirkung“ der Auslandstat erforderlich (BGH, Beschl. v. 20.12.2016 - 3 StR 435/16; Heuchemer in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 59. Edition mit Stand: 01.11.2023, § 140 Rn. 9.2; Ostendorf/Kuhli in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, 6. Auflage 2023, § 140 Rn. 10a; Kindhäuser/Hilgendorf in: Kindhäuser/Hilgendorf, StGB, 9. Auflage 2022, § 140 Rn. 4). Diese ist festzustellen, wenn durch die Verherrlichung der Auslandstaten auch in Deutschland die allgemeine Bereitschaft zur Begehung ähnlicher Delikte gefördert und das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Sicherheit erschüttert werden kann (BGH, Beschl. v. 20.12.2016 - 3 StR 435/16).
Vor diesem Hintergrund hat die Entscheidung des OLG Hamburg heftige Kritik erfahren. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass die Forderung nach einer „kriminogenen Inlandswirkung“ nicht aufgegeben werden darf, weil der Tatbestand des § 140 Nr. 2 StGB andernfalls uferlos wird und zudem Irrtumsprobleme ausgelöst werden (Heuchemer, NStZ 2023, 425, 427; Heuchemer in: v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, 59. Edition mit Stand: 01.11.2023, § 140 Rn. 92). Der Kritik ist zuzustimmen, jedenfalls soweit darauf hingewiesen wird, dass das OLG Hamburg im Ergebnis mehr das „öffentliche Klima“ als den „öffentlichen Frieden“ in den Blick nimmt und hierdurch möglicherweise übergriffige Verkürzungen der Meinungsfreiheit ermöglicht (vgl. Heuchemer, NStZ 2023, 425, 427; in diesem Zusammenhang zur Gefahr einer Strafbarkeitserweiterung Kuhli/Welling, ZJS 2023, 1407, 1413). Dem liberalen Rechtsstaat ist sicherlich nicht gedient, wenn Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zunehmend mit dem Mittel des Strafrechts gelöst werden (vgl. Heuchemer, NStZ 2023, 425, 427). Das Verhalten, welches mit § 140 Nr. 2 StGB unter Strafe gestellt werden soll, ist vor dem Hintergrund der sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden Rechte des Einzelnen restriktiv zu bestimmen (AG Bautzen, Beschl. v. 10.06.2022 - 41 Ds 220 Js 10638/22 Rn. 7).
Das kritische Schrifttum kann sich auf das BVerfG berufen. Dieses hat zunächst darauf hingewiesen, dass sich der Inhalt des Tatbestandsmerkmals der Störung des öffentlichen Friedens aus dem jeweiligen Normzusammenhang ergibt (BVerfG, Beschl. v. 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 Rn. 94; Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 140 Rn. 5a). „Grundsätzlich begründet bereits die Verwirklichung der anderen Tatbestandsmerkmale die Strafbarkeit, bei deren Erfüllung auch die Störung des öffentlichen Friedens (beziehungsweise die Eignung hierzu) vermutet werden kann“ (BVerfG, Beschl. v. 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 Rn. 94). Eigenständige Bedeutung hat das Erfordernis der Eignung zur Friedensstörung nur in atypischen Situationen, wenn diese Vermutung aufgrund besonderer Umstände nicht trägt (BVerfG, Beschl. v. 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 Rn. 94). In solchen Fällen können dann die nicht strafwürdig erscheinenden Fälle über das „Korrektiv“ der Friedensstörung ausgesondert werden (BVerfG, Beschl. v. 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 Rn. 94).
Würde man das so stehen lassen, so würde es sich u.a. bei § 140 Nr. 2 StGB um eine äußerst strikte Strafnorm handeln, die rasch in Konflikt mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu geraten droht. Das BVerfG hat daher mit gutem Grund später klargestellt, dass eine Meinungsäußerung nur dann die für eine Strafbarkeit erforderliche Eignung zur Friedensstörung aufweisen kann, wenn sie die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen hat und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlägt (BVerfG, Beschl. v. 22.06.2018 - 1 BvR 2083/15 Rn. 17; Albrecht, jurisPR-StrafR 18/2023 Anm. 4), wobei diese Wirkung selbstverständlich im Inland festzustellen sein muss. Allerdings wird sich auch eine solche Gefährdungslage, der Übergang zu Aggression oder Rechtsbruch (BVerfG, Beschl. v. 22.06.2018 - 1 BvR 2083/15 Rn. 17; BayObLG, Beschl. v. 25.06.2020 - 205 StRR 240/20 Rn. 4), nur schwer nachweisen oder widerlegen lassen. Im Ergebnis wird man dem dadurch Rechnung tragen müssen, dass man bei der Auslegung und Anwendung von § 140 Nr. 2 StGB äußerste Zurückhaltung wahrt, „damit die wertsetzende Bedeutung der Meinungsfreiheit auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt“ (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.06.2018 - 1 BvR 2083/15 Rn. 18). Für eine extensive Auslegung des § 140 Nr. 2 StGB, wie sie der 5. Strafsenat praktiziert, bleibt dann aber kein Raum.
Ungeachtet dieser Bedenken scheint die Rechtsprechung dem OLG Hamburg folgen zu wollen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 26.01.2024 - 206 StRR 362/23 Rn. 27; OVG Magdeburg, Beschl. v. 27.04.2022 - 3 M 45/22 Rn. 13; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 16.12.2022 - 5 Qs 134/22 Rn. 16; LG Hamburg, Beschl. v. 10.10.2022 - 619 Qs 27/22 Rn. 30 ff.; AG Köln, Urt. v. 06.06.2023 - 523 Ds 38/23 Rn. 30; AG Bautzen, Urt. v. 08.02.2023 - 41 Ds 220 Js 10638/22 Rn. 17; AG Hamburg, Urt. v. 25.10.2022 - 240 Cs 121/22 Rn. 17 f.; so auch Roth, GSZ 2022, 123, 130; Bode, UKuR 2022, 328, 330 f.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Strafverteidiger sollten sich nicht darauf verlassen, dass vor dem BGH oder gar dem BVerfG eine Korrektur der Auffassung des OLG Hamburg erwirkt werden kann. Die Rechtsprechung erkennt an, dass bei der Ermittlung des Sinngehalts einer möglicherweise strafbaren Äußerung stets die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsfreiheit berücksichtigt werden muss (zuletzt BayObLG, Beschl. v. 26.01.2024 - 206 StRR 362/23 Rn. 13). Sinnvoller scheint auf dem Gebiet des Meinungsstrafrechts daher stets die Suche nach einer nicht auszuschließenden Deutungsvariante der einem Mandaten zugerechneten Meinungsäußerung, die straffrei wäre (BayObLG, Beschl. v. 26.01.2024 - 206 StRR 362/23 Rn. 16). Ob es sich bei der Verwendung des Z-Symbol um eine strafbare Billigung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine handelt, ist dann eine Frage des Einzelfalles und insbesondere des Äußerungskontextes (BayObLG, Beschl. v. 26.01.2024 - 206 StRR 362/23 Rn. 27).


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der 5. Strafsenat stellt klar, dass es sich bei der am 24.02.2022 begonnenen und bis heute andauernden, von der russischen Staatsführung offiziell als „Militärische Spezialoperation“ bezeichnete militärische Invasion in die Ukraine um einen Angriffskrieg i.S.d. § 13 Abs. 1 und 3 VStGB handelt (Rn. 12). Diese Invasion kann auch nicht etwa dadurch völkerrechtlich gerechtfertigt werden, dass es sich um eine „humanitäre Intervention“ – etwa zur Rettung russischer Staatsbürger im Donbass – handeln soll, weil sie über das etwaige Ziel eines Schutzes der dort ansässigen eigenen Staatsbürger objektiv und subjektiv weit hinausgeht (Rn. 16).



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